Titel | ||||
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189 | Erkenntnis | |||
Vorschautext: Zwar scheint es mir enorm verfrüht, doch sind sie wirklich schon verblüht und werden zweifelsohne welk, die Knochen in meinem Knochengebälk. |
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188 | Ich am Eingang des Seniorenkinos | |||
Vorschautext: Ich muss doch sehr bitten; hier wird nicht gestritten. Junger Mann, man soll das Alter ehren! Doch Sie wollen mir den Zutritt verwehren? Sei meinen, für eine Seniorin sei ich zu jung? Mit Verlaub, Sie reden ... nennen wir’s Dung. Nur ruhig, der Herr, nicht angeeckt! Die Jugend zolle dem Alter Respekt! ... |
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187 | Zum Patent anzumelden | |||
Vorschautext: Mein Konzept, mit mir selbst nur zu diskutieren, lass' ich zur Sicherheit patentieren. Zwar kenne ich meine Meinung schon, doch verkürzt genau das die Diskussion, erspart mir Meinungen anderer Sorte und jede Menge Widerworte. Ich weiß schon den Titel des Patents: Es heißt der "egosolistische Konsens". |
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186 | Hohler Berater | |||
Vorschautext: Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte von dem Experten in Anzug und Krawatte, der mich in eine mathematische Formel hüllte, die sich dann jedoch nicht erfüllte. Der Zweifel streifte zu spät meinen Sinn: War in dem Anzug überhaupt jemand drin? Falls ja, hatte er gar keine Ahnung. Diese Erfahrung gereiche mir künftig zur Mahnung! |
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185 | Nicht der letzte Schrei | |||
Vorschautext: „Der Zenit der Moderne wurde gesprengt“, sprach ein Kritiker. „Wenn man es recht bedenkt, kann nach derartig Neuem nichts Neues mehr kommen.“ Was dann kam, hat ihn nicht beim Wort genommen. Dem folgenden Neuen war’s einerlei. Der letzte wurde zum vorletzten Schrei. |
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184 | Dem Guten dienen | |||
Vorschautext: Aus der Tatsache, dass Atommüllfässer rosten, ergeben sich immense Ewigkeitskosten. Aus Erfindungen Ewigkeitsgewinn zu schöpfen, ergäbe viel mehr Sinn. |
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183 | Zeitlos | |||
Vorschautext: Modern ist, wem’s auf den den Nägeln brennt, zu folgen jedem neuen Trend. Doch Altes, dem Untergang jetzt geweiht, war auch modern zu seiner Zeit. Die Gegenwart wird hinweggefegt von der Zukunft. Jemand, der gut überlegt, dreht sein Fähnlein nicht ständig im Wind, sondern wählt Dinge, die zeitlos sind. |
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182 | Sieh da! | |||
Vorschautext: Sieh da! Beim Blick in den Spiegel bekam ich einen Schreck. Mein Spiegelbild war - einfach weg. Schaute ich ihm vielleicht zu verschlafen? Wollte es mich dafür bestrafen? Oder lag’s womöglich doch an mir, und ich war selbst noch gar nicht hier? Prüfend griff ich mir ins Gesicht. Ich war da. An mir lag’s nicht. Auf einmal kam mir ein Verdacht. ... |
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181 | Tja! | |||
Vorschautext: Es scheint sich um eine feste Fläche zu handeln, als könne man über das Wasser wandeln auf der Straße aus silbernem Mondenlicht, doch das geht ja leider nicht. Man würde der Versuche rasch überdrüssig. Das Meer ist leider nach wie vor flüssig. |
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180 | Himmlische Etymologie | |||
Vorschautext: Ein abstürzendes Stück Weltraumschrott überraschte beim Mittagessen Gott. „Du lieber Himmel“ war, was er dachte, als es in seine Mahlzeit krachte. Ein Meteoritenstück, so eine Art Schnuppe, Versenkte sich in seiner Suppe. Just aus diesem von allen Töpfen, aus der Ursuppe musste er den Fremdkörper schöpfen. Das Stück Dreck, dass Gott in seiner Suppe fand, hat er phantasieloserweise „Erde“ genannt. ... |
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179 | Doppelbefund | |||
Vorschautext: Ja, ist es denn möglich? Das ist doch die Höhe! Der Hund hat nicht Läuse bloß, sondern auch Flöhe. Ein einz‘ges Symptom nur bei zwei Befunden. Vielleicht reicht dann ein Mittel zum Gesunden. Man verpasse ihm entweder eine Glatze oder heiße ihn, dass er sich ausgiebig kratze. Entweder oder - oder halt beides beschert dem Tier ein Ende des Leides. |
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178 | Orgelbau einst | |||
Vorschautext: Bei den ersten Versuchen der Altsteinzeit kam man im Orgelbau noch nicht weit. Die Pioniere haben unverdrossen Pfeifen aus flüssigem Stein gegossen. Materialbedingt waren diese sehr haltbar, doch war Musik darauf nicht gestaltbar. Sie ließen sich leider nicht dazu bringen, ein wenig wir Orgelpfeifen zu klingen. Auch rätselt man heute noch: Welchen Zwecken diente die seltsame Form mit sechs Ecken. Bis heute sind sie wohlbewahrt und versteinert. Der Zahn der Zeit hat sie nicht zerkleinert. ... |
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177 | In memoriam Ingvar Kamprad | |||
Vorschautext: Man errichtete ihm - ganz Schweden war stolz - ein Denkmal. Natürlich war es aus Holz. Von innen bestand‘s, man braucht‘s kaum zu erwähnen, aus zusammengeleimten Sägespänen. Passend zu dem, was die Welt geerbt von ihm, war es blau-gelb gefärbt. Demjenigen, ohne den die Möbelhauskette nicht wäre, Ingvar Kamprad gebührte diese Ehre. Die Handwerker achteten beim Montieren streng darauf, die Schrauben nicht zu verlieren. Und doch fehlten im Bausatz Schrauben. Die Honoratioren wollten‘s nicht glauben. ... |
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176 | Kleine Orientierungshilfe | |||
Vorschautext: Wenn die ein Windrad den Hintern entgegendreht, heißt das, dass der Wind dir entgegenweht. Sollte dem Windrad stattdessen belieben dich anzuschauen, wird der Wind dich schieben. Manchmal weht der Wind seitwärts zu deinem Ziel. Dann siehst du das Windrad im Profil. |
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175 | Global gesehen | |||
Vorschautext: Ein Problem - scheint es auch groß - ist meist global bedeutungslos. Dem Globus ist's doch allemal unwichtig bis ganz egal, weshalb er sich, wie ihr seht, unbekümmert weiterdreht und dabei den ganzen Mist einfach so lässt, wie er ist. |
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174 | Weiter Weg | |||
Vorschautext: Es dauert wohl recht lange Zeit von hier bis zur Unendlichkeit, doch irgendwann endet auch diese Fahrt, überwindet man nur die Gegenwart. |
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173 | Zug verpasst | |||
Vorschautext: Mit Rauchzeichen die Abfahrtszeit verkündet hat die Rauchschwalbe. Sie hatte ein Feuer entzündet. Doch war vor Ankunft der Zugvogelscharen am Bahnsteig der Zug schon abgefahren. Dabei waren sie gar nicht geschlendert. Der Zugfahrplan war aber leider geändert. Dass auch ohne Zug die Reise glücke, betete die Mönchsgrasmücke. Der Falke beschloss, seine Stiefel zu schnüren. Eine Wanderung würde ihn südwärts führen. Der Weißstorch hatte vor, den weiten ... |
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172 | Der einzig Wahre | |||
Vorschautext: Zu groß ist er, kann man auf ihm reiten. Kniehöhe sollte er nicht überschreiten. Auch eine lästig-lange Rute braucht er nicht, der wahrhaft Gute. Zu seinem fröhlichen Wedeltänzchen genügt ihm vollauf ein halblanges Schwänzchen. Herunterhängende oder schlappige Ohren haben am perfekten Hund nichts verloren. So etwas braucht er nicht, denn er besitzt ein Paar samtene Öhrchen, gut gespitzt. Sein drahtiges pflegeleichtes Fell ist trocken, kaum schüttelt er es schnell. ... |
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171 | Wieder einmal... | |||
Vorschautext: Als frisch gealtert galt er, was ich nicht begreife. Es geht doch nichts ums Alter, sondern um die Reife. Wer redet denn hier von Vergammeln? In Wahrheit sollte man viel mehr edle Patina auf sich versammeln gleich einem guten Camembert. |
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170 | Blind date | |||
Vorschautext: Noch nie zuvor haben wir uns getroffen, doch die allererste Begegnung lässt hoffen. Ende Dezember um Mitternacht fand sich unerwartet ein Jahr ein. Es heißt Zweiundzwanzig. Zutraulich gab es mir - Berliner verschmausend - sogar seinen Vornamen preis, nämlich Zweitausend. Sollten wir feststellen, dass wir uns vertragen, werden wir vielleicht du zueinander sagen. |
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