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Gedichte Über Straßen


Die Begegnung

Die Begegnung


Ich ging die vielen Straßen lang...
unendlich müde war mein Gang
und schwer vom vielen Wein.
Was soll's: ich war allein.

Ich fror entsetzlich, und ich rief:
> Zum Teufel mit dem Seelentief! <
Dann fiel ich hin, fast um ein Haar
betrunken, weil ich einsam war.

Da kam ein alter Mann vorbei.
Mir war der Alte einerlei -
doch er stützte mich beim Gehen.
Ich konnte sein Gesicht nicht sehen
und lallte: > Mich will keiner hier.
Bin unbeliebt - liegt wohl an mir.
Freunde hab ich längst nicht mehr
und alles ist so sinnlos, leer..! <

Der Alte sah mir ins Gesicht.
Da streifte ihn ein Straßenlicht...
Wie furchtbar war er doch entstellt!
Wie jemand, nicht von dieser Welt.

Schreien wollt' ich vor Entsetzen -
doch das würde ihn verletzen.
Eins seiner Augen stand heraus,
die Nase sah zerschnitten aus,
der Mund hing schief an seinem Kinn:
Ein Monster!, kam mir in den Sinn.

Sein fauler Atem streifte mich
und leiser Ekel regte sich,
als er noch etwas näher kam -
verlegen und auch voller Scham.

Da sprach es traurig aus der Fratze:
> Ich bin wie eine nasse Katze,
die sich zumeist verborgen hält
vor dem Spott in heller Welt.
Ich mag die Nacht, die stille Zeit,
wenn niemand 'Ungeheuer'! schreit.
Frühmorgens schleiche ich nach Haus
und heul mir oft die Augen aus. <

Wir stapften noch ein kleines Stück.
Er winkte mir und rief: > Viel Glück! <
Ich sah ihm nach, wie er entschwand
im Schatten einer Häuserwand.

Noch sehr viel später, in Gedanken
sah ich jenen Alten schwanken,
wie er da durch's Dunkel schleicht
und mir seine Hilfe reicht.

Und ich fand, er hatte recht
als er sagte: > Na, so schlecht
geht es dir doch wirklich nicht:
auch wenn dein Mund ganz anders spricht. <



(c) Ralph Bruse
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Lothar und Klara

Klara hat einen Fahrrad-Fimmel.
Den muß man ihr auch lassen.
Sie radelt gern bei klarem Himmel
und genauso gern im Nassen.

Neulich hat sie es übertrieben:
da sprang die Kette von den Zähnen.
Vom Fahrwind ist nicht viel geblieben.
Sie fiel, sollte man noch erwähnen.

Und wie sie fiel...Dem Rad voraus -
zum Glück mit guten Haltungsnoten.
Die Arme sahen schon wüst aus,
von all den Schrammen: blauen, roten.

Dann war auch noch ein Fuß verstaucht.
Den mußte Lothar abends kühlen.
So wird er denn auch mal gebraucht,
um nachher noch Geschirr zu spülen.

Ein Mann, ein Wort. Macht er doch gern.
Sie wird sich sicher revanchieren.
Alsbald kann er sie schnarchen hör'n
und schließt mucksleise alle Türen.

Am andern Morgen steht ihr Rad,
im Keller dicht neben dem seinen.
Und Lothar denkt sich: wär doch schad´,
wenn wir die beiden nicht vereinen.

Gedacht, gemacht. Er holt die Säge,
den Schweissbrenner, und legt dann los.
Da ist zwar manches noch im Wege.
Voran! Sein Ehrgeiz ist ja groß.

Nun wird gesägt und viel geschraubt,
dass Blech und Rohre mächtig rappeln.
Erst wenn´s im Keller richtig staubt,
kann später auch nix lose zappeln.

*

Drei Tage später steht vor´m Haus,
ein ziemlich anderes Gefährt.
Klara sieht nicht begeistert aus.
Doch hat sie sich auch nicht beschwert.

Ihr Fuß ist heil. Die Schrammen weg.
Ihr Lächeln macht sich langsam auch.
Und nach dem ersten, kurzen Schreck,
beklopft sie Lothar's flachen Bauch.

> Woll'n wir?, < fragt sie und steigt vorn auf -
den Sattel etwas richtend.
Er schwingt sich also hintendrauf
und mahnt noch, ihren Fimmel schlichtend:

> Schön langsam. Mach mal halb so wild.
Man will ja noch´n bisschen leben. <
Doch wo kein Stopp, da auch kein Schild.
Sie will gleich tüchtig Zunder geben.

Ein wenig schwant ihm garnichts Gutes.
Doch schließlich geht es flott voran.
Das Tandem hält - und frohen Mutes,
strampeln sie im Winde dann.

Am Ortsrand: endlich freie Bahn
und nirgends Kreuz - und Querverkehr.
Wie fliegen - fast. Der helle Wahn!
Nur Klaras´ Lachen hinterher!


© Ralph Bruse
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