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Gedichte über das Schicksal - Seite 183


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Bin ich Mädchen oder Junge - Teil I

Eine wahre Geschichte aus Kanada


In Winnipeg war es, Provinz Manitoba,
Kanadisches Land, sehr weit weg von Europa.
Janet und der Ron warn ein glückliches Paar,
sie hatten sich zeitig gefunden fürwahr.

Sie war grade achtzehn, er hatt' zwei Jahr mehr.
Sie planten die Ehe, sie liebten sich sehr.
Sie hatten zwar Arbeit, doch nicht grad viel Geld,
und dann hat sie ihm eines Tages erzählt:

Sie sind schon in Kürze nicht mehr nur zu zwein,
wie sie seit jetzt weiß, werdens Zwillinge sein.
Die Eltern von beiden warn garnicht begeistert,
drum haben sie selbst ihre Hochzeit gemeistert.

Ein Glück war, dass Ron jetzt im Schlachthof beginnt,
wo er doppelt so viel wie vorher verdient.
Das war freilich nun ein ganz neuer Beginn,
sie konnten 'ne 3-Zimmerwohnung beziehn.

Janet wurde vor der Entbindung noch krank,
die lief aber trotzdem recht gut - Gott sei dank.
Nach längerem Warten hat Ron dann erfahrn,
dass es eineiig-männliche Zwillinge warn.

Die Eltern, die konnten bald leicht unterscheiden:
Der Bruce war der Lebhaftere von den Beiden,
der Brian, den Janet als zweiten gebar,
viel ruhiger, weniger anstrengend war.

Doch eins nahm die Mutter sich schließlich zu Herzen:
Sie hatten beim Pinkeln nach Monaten Schmerzen.
Der Arzt stellte schnell die Standard-Diagnose,
es ist gar nicht selten, man nennt es Phimose.

Die Lösung war einfach zur Schmerzensvermeidung,
es war zu beheben durch Vorhautbeschneidung.
Im Krankenhaus hatte man schnell den Termin,
sie schafften die Jungen am Abend schon hin.

Der Kinderarzt war zum Termin nicht im Haus,
drum führt es der Praktische Arzt diesmal aus.
Der Bruce kam als erster zur Operation,
er lag auf dem Tisch, man betäubte ihn schon.

Man nutzte zum Schneiden nicht einfach Skalpelle,
ein Elektrokauter vertrat diese Stelle.
Die Stromstärke wurde auf Minimum gestellt ,-
die Nadel, sie schnitt nicht. Woran hats gefehlt?

Ob's 'ne Fehlfunktion war? Stimmt die Handhabung nicht?
Oder hat man zu sehr auf Ampere verzicht't?
Jedenfalls ward die Stromstärke mehrmals erhöht -
und dann plötzlich steigt Rauch auf! Ein Zischen entsteht!

Ein Geruch wie beim Schmoren von Fleisch in der Luft!
Ganz dringend man den Urologen jetzt ruft.
Das Organ dieses Babys war ganz stark verletzt,
und es ward für den Harn ein Katheder gesetzt,

an das äußere Ende ein Beutel gemacht,
und das Kind zur Station Brandverletzung gebracht.
Was damals passiert ist - es ist kaum zu fassen.
(Das Brüderchen wurde in Ruhe gelassen).



Anmerkungen zum Gedicht:

Die Informationen zu diesem mehrteiligen Gedicht habe ich folgendem Buch entnommen:
John Colapinto: Der Junge, der als Mädchen aufwuchs.
Es ist die sehr gründlich recherchierte und hervorragend geschilderte Lebensgeschichte eines Menschen, der Entsetzliches durchgemacht hat.
Ich kann das fesselnde und lehrreiche Buch jedem sehr empfehlen.
Es erschien mir deshalb auch sinnvoll, ein Gedicht daraus zu machen, um es auch Lesern nahe zu bringen, welche die kürzer gefasste Form des gereimten Gedichtes (zunächst) bevorzugen.

Heinz Säring
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Bin ich Mädchen oder Junge - Teil II

Der Vater kam spät in der Nacht von der Schicht,
Janet hatte dafür das Essen gericht't.
Es brannte bis früh um halb drei noch das Licht.
Das schreckliche Unglück, sie ahnten es nicht.

Man hat dort fast tausend mal Vorhaut beschnitten,
noch nie hat ein Kind einen Unfall erlitten.
Es gab auch speziell eine Kinderstation,
man war sich ganz sicher, die machen das schon.

Sie schliefen noch morgens, da klingelte schon
aus der Klinik recht zeitig das Haustelefon.
Sie sollten gleich kommen, so ward informiert,
es sei heute leider ein Unfall passiert.

Im Zimmer des Arztes - die Zeit zog sich hin -,
bis schließlich dann der Doktor Huot erschien,
und auf Janets Frage, sie war stark berührt:
"Bei Bruces Beschneidung ist etwas passiert."

"Was heißt das?" fragt Janet , jetzt völlig gebannt.
"Es wurde dem Jungen der Penis verbrannt."
Und was sie dann sah'n ist entsetzlich gewesen!
Nie konnte das Kind von dem Schaden genesen.

Sie fuhrn mit dem Baby in die USA,
und fragten sich nachher: "Was wollten wir da?"
Nach allen Versuchen, da sahen sie ein,
der Bruce bleibt sein Leben lang immer allein.

Sie konnten auch praktisch mit niemandem sprechen,
sie hieltens geheim, wie ein schweres Verbrechen.
Der Ron zog Kollegen mal kurz in Betracht,
die haben sich drüber noch lustig gemacht!

Nicht einmal ins Kino mehr konnten sie gehen,
vielleicht hätt' die Aufsichtsfrau alles gesehen.
Sie hätte es überall weitererzählt -,
das hätte zum Unglück jetzt grad noch gefehlt!

Dem Ron kamen Albträume bald in der Nacht,
er hätte den Arzt Dr. Hout umgebracht.
Er hatte ihn oft und sehr hart an der Kehle -,
vielleicht tat das Not für die schmerzende Seele.

Bei Brian ergab sich nach einigen Zeiten,
es war gar nicht nötig, das ganze Beschneiden.
Das ließ nun das Unglück noch schlimmer erscheinen,
die Mutter, sie konnte nur bitterlich weinen.
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