Eine wahre Geschichte aus Kanada
In Winnipeg war es, Provinz Manitoba,
Kanadisches Land, sehr weit weg von Europa.
Janet und der Ron warn ein glückliches Paar,
sie hatten sich zeitig gefunden fürwahr.
Sie war grade achtzehn, er hatt' zwei Jahr mehr.
Sie planten die Ehe, sie liebten sich sehr.
Sie hatten zwar Arbeit, doch nicht grad viel Geld,
und dann hat sie ihm eines Tages erzählt:
Sie sind schon in Kürze nicht mehr nur zu zwein,
wie sie seit jetzt weiß, werdens Zwillinge sein.
Die Eltern von beiden warn garnicht begeistert,
drum haben sie selbst ihre Hochzeit gemeistert.
Ein Glück war, dass Ron jetzt im Schlachthof beginnt,
wo er doppelt so viel wie vorher verdient.
Das war freilich nun ein ganz neuer Beginn,
sie konnten 'ne 3-Zimmerwohnung beziehn.
Janet wurde vor der Entbindung noch krank,
die lief aber trotzdem recht gut - Gott sei dank.
Nach längerem Warten hat Ron dann erfahrn,
dass es eineiig-männliche Zwillinge warn.
Die Eltern, die konnten bald leicht unterscheiden:
Der Bruce war der Lebhaftere von den Beiden,
der Brian, den Janet als zweiten gebar,
viel ruhiger, weniger anstrengend war.
Doch eins nahm die Mutter sich schließlich zu Herzen:
Sie hatten beim Pinkeln nach Monaten Schmerzen.
Der Arzt stellte schnell die Standard-Diagnose,
es ist gar nicht selten, man nennt es Phimose.
Die Lösung war einfach zur Schmerzensvermeidung,
es war zu beheben durch Vorhautbeschneidung.
Im Krankenhaus hatte man schnell den Termin,
sie schafften die Jungen am Abend schon hin.
Der Kinderarzt war zum Termin nicht im Haus,
drum führt es der Praktische Arzt diesmal aus.
Der Bruce kam als erster zur Operation,
er lag auf dem Tisch, man betäubte ihn schon.
Man nutzte zum Schneiden nicht einfach Skalpelle,
ein Elektrokauter vertrat diese Stelle.
Die Stromstärke wurde auf Minimum gestellt ,-
die Nadel, sie schnitt nicht. Woran hats gefehlt?
Ob's 'ne Fehlfunktion war? Stimmt die Handhabung nicht?
Oder hat man zu sehr auf Ampere verzicht't?
Jedenfalls ward die Stromstärke mehrmals erhöht -
und dann plötzlich steigt Rauch auf! Ein Zischen entsteht!
Ein Geruch wie beim Schmoren von Fleisch in der Luft!
Ganz dringend man den Urologen jetzt ruft.
Das Organ dieses Babys war ganz stark verletzt,
und es ward für den Harn ein Katheder gesetzt,
an das äußere Ende ein Beutel gemacht,
und das Kind zur Station Brandverletzung gebracht.
Was damals passiert ist - es ist kaum zu fassen.
(Das Brüderchen wurde in Ruhe gelassen).
Anmerkungen zum Gedicht:
Die Informationen zu diesem mehrteiligen Gedicht habe ich folgendem Buch entnommen:
John Colapinto: Der Junge, der als Mädchen aufwuchs.
Es ist die sehr gründlich recherchierte und hervorragend geschilderte Lebensgeschichte eines Menschen, der Entsetzliches durchgemacht hat.
Ich kann das fesselnde und lehrreiche Buch jedem sehr empfehlen.
Es erschien mir deshalb auch sinnvoll, ein Gedicht daraus zu machen, um es auch Lesern nahe zu bringen, welche die kürzer gefasste Form des gereimten Gedichtes (zunächst) bevorzugen.
Heinz Säring