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Gedichte über Krankheit - Seite 116


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Überlebt

Aus der Narkoseaufgewacht
hab ich erst mal nachgedacht.
Wo ich bin und was ich sage,
welche Erinnerung ich trage.
Meine Hände fühlen Schlauch,
unterm Hintern, übern Bauch.

Über mir an einem Galgen
sich Gesundheitsteile balgen.
Flaschen, Schläuche, Plasteventile,
und der Tropfen sind es viele.
Ich trau mich nicht den Kopf zu drehen,
denn ich weiß nicht was geschehen.

Ruhig ist es, alles stumm,
ich seh Fenster, liege krumm.
Doch es fummeln an meinem Leib,
zarte Hände, aha ein Weib.
Sie wischt und tropft und reibt,
als wenn sie Hieroglyphen schreibt.

Zwei Düsen in die Nase pusten,
der Mund ist trocken, ich muss husten.
Die Lunge langsam aufgepustet
und mit Druck dann losgehustet.
Die Hände, die jetzt etwas kleben,
mir schnell einen Zellstoff geben.

Und was ich für einen Geist gehalten,
sagt zu mir: „Den Mund zuhalten.“
Ich sage o, ich sage a,
meine Stimme ist noch da.
Ich huste mir die Lunge frei,
Gott sei Dank kein Blut dabei.

Zwei Hände mich entgegen drehen,
jetzt kann ich ins Zimmer sehen.
Das ist nicht die Wolke sieben,
wie die Dichter oft geschrieben.
Nur ein kühler kahler Raum,
doch die Schwester ist ein Traum.

Weil ihr Schaffen Schweiß geschöpft,
war ihre Bluse aufgeknöpft.
Und da sie sich noch gebeugt,
habe ich ganz frech geäugt.
Dabei musste ich mir gestehen,
mir scheint es schon gut zu gehen.

Ihre Augen meine Blicke haschen,
die Hände das Gesicht mir waschen.
Die Frische bietet mir den Grund
zum Kuss zu spitzen meinen Mund.
Die Schwester Handymeldung macht:
„Der Patient ist problemlos erwacht.“

24.02.2021©Wolf-Rüdiger Guthmann
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