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Gedichte Über Mahnung - Seite 44


Ernestine

es war einmal
die Tochter einer armen Holzfäller Familie
Rotkäppchen und der Wolf
kannte sie aus den Märchenbüchern
mit 13 lernte sie die deutschen Wölfe kennen
es waren die Wehrmacht und die Nazis
1941 haben sie ihren älteren
Bruder Franz liquidiert
er hatte zwei Jahre gegen Frankreich gekämpft
gegen die Russen
wollte er 1941 nicht mehr mit kämpfen
dafür haben sie ihn feige exekutiert
Ernestine hat es erst viel später
vom Freund ihres Bruders erfahren

am 26. Juli 1946 musste sie mit den Eltern
ihr Geburtshaus in Ritschka und
ihre Heimat im Sudetenland
mit einer Hand voll Sachen verlassen
8 Tage kampierten sie in einem
Sammellager in Grulich
-im nahe gelegenen Bayern
wollte sie keiner haben-
sie wurden, wie einstmals die Juden
über Dresden deportiert
nach 13 Tagen landeten sie zusammengepfercht
in der Anklamer Kriegsschule
nach zwei Wochen wurden die Sudetendeutschen
auf umliegende Dörfer verteilt
Ernestine und ihre Eltern wurden nach Charlottenhof verlegt
der Vater war zu dem Zeitpunkt
von einer Lungenentzündung
durch permanenten Hunger
und Kriegsfolgen gekennzeichnet

in der damaligen sowjetischen Besatzungszone,
der späteren DDR
fand sie ihre neue Heimat
in der Zeit lernte sie auch den
aus Kriegsgefangenschaft entlassenen
ehemaligen Soldaten und Sohn eines Tagelöhner
der Familie Peters kennen
Werner wurde die Liebe ihres Lebens
er war genau wie Ernestine
mit schrecklichen Bildern der Vergangenheit behaftet
eine eigene Kriegsverletzung
traumatische Erinnerungen an blutige Schlachten
begleiteten ihn bis an ein frühes Ende seines Lebens
da es keine psychologische Aufarbeitung
für Millionen von Kriegs Überlebenden gab
ist klar, dass die psychologischen Lasten
und Folgen
eines unmenschlichen Krieges gegen
die Völker Europas und die Zerstörung Deutschlands
auf Kinder und Enkel weiter vererbt wurden
in sehr vielen Fällen wurden die Traumata
und Schatten der Vergangenheit
mit Alkohol weggespült
es gab aber auch Lebenshunger
Arbeit, Arbeit und manchmal auch Liebe
1949 schlossen Ernestine und Werner den Bund fürs Leben
Im Jahr der Gründung der DDR 1949 wurde die älteste Tochter Margrit geboren
es folgte Brigitte im Jahr 1952 und Jürgen im Jahr 1957


Hunger und katastrophale hygienische Bedingungen
prägten diese Zeit
durch den Völkermord der Deutschen
erlebte sie zunächst die unmenschlichen Folgen
einer faschistischen Gesellschaft
die Jahre waren geprägt durch Hunger
Hoffnungslosigkeit Verlust der Heimat

in ihrem Kopf waren Bilder von
durch Nazis aufgehängten
tschechischen Babys in Prager Schaufenstern

die grausame sinnlose Ermordung
ihres älteren Lieblingsbruders
die Ermordung von 3 Millionen
sowjetischen Kriegsgefangenen
die Ermordung mehrerer Millionen Kommunisten
und die Ermordung von 6 Millionen Juden
waren ein unseliges Erbe der deutschen Jugend


Ernestine Freifrau von Mollwitz


mageba
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Bleiben 'se Mensch

(Der Philosoph und der Trinomische Würfel, der Limes, die Linie und der Punkt)

Ein geachtelter Würfel ist gefallen
Durch Raum und durch Zeit
Maße und Masse wollen sich gefallen
Haben sie sich jedoch stets entzweit

Gleichheit geht alsbald verloren
Und nähert sich doch stetig an
Die Würfel haben sich verbogen
Molare werden sie dann irgendwann

In Kurven haben sie sich gefunden
Geordnet wie ein Alphabet
Empfindung hat sich hinzu gerungen
Worum es wohl beim Menschen geht

Strahlen umrunden
Was ewig besteht
Mit der Sonne verbunden
Die Erde auf der man lebt

Sterne sind geboren
Weit auseinander gesetzt
Im Alter verloren
Durch ihre Schwere verletzt

Der Raum will sich begreifen
Die Zeit steckt tief darin
Die Elemente, sie reifen
Ordnen sich zu neuem Sinn

Das Quadrat gebiert den Würfel
Was ewig um die Mitte kreist
Ecken und Kanten bloßer Rüffel
Was die smart geschliffene Kugel beweist

***

Auf eine Parabel gezielt
Treffer erwarten wir wohl nicht
Haben wir um die Welt gespielt
Wies scheint mit ´nem Gedicht …


Das System in sich unendlich
Es schließt sich um das Nichts
Er, der Mensch, erschließt sich
Um das Sein seines Ichs

Alles in allem unvergänglich
Strahlt das Universum nicht
Es beendet unverfänglich
Masse, Raum, Zeit und Licht

Plus und Minus sich teilen
Als führten sie ´nen Krieg
Ein Funke will begleiten
Deren vergangenen Sieg

***

Meter, Kilogramm, Sekunde
Das Ampere gehört hinzu
Die Vier stehen in einer Runde
Das Leben ist der Clou

Quadrate sich erheben
Der geteilte Würfel existiert
Die Proportionen verschieben sich verwegen
Säulen sind zur Linie reduziert

Der Kubus strahlt ganz ohne Licht
Punktgleich er den Raum verbiegt
Die Zeit prescht vor hier im Gedicht
Die Ruhe bewegt, der Würfel liegt …

***

Der euklidische Raum
Nicht überlebt
Es sich kaum
Noch um ihn dreht

Schnell neue Initiale
Schnörkelgleich hinzugefunden
Von Menschenhand aufs ganz Geniale
Das Raumproblem damit ein für alle Mal bezwungen …





Drum Merke:
Durch den Raum der nun gekrümmt
Scheint des Menschen Wissen sehr verdünnt

Und:

Ist des Menschen Blick arg schief geeckt
Der Optiker ihn mit ´ner Brille neckt


© Auris cAeli
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