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Gedichte über Alkohol - Seite 3


Der Mann, der nie wieder zurückkehrte

Gudo war ein Meister seiner Zeit
und zog umher im Bettelkleid
Des abends fand er einen Ort,
ein Bauernhaus und blieb auch dort

Durchnässt und furchtbar müde zwar,
nahm ihn die Frau doch wie er war
Er durfte bleiben eine Nacht
Zuerst hielt er am Schrein die Wacht

Er rezitierte ganz allein,
die Kinder sahen scheu herein
Er spürte in dem Haus das Leid,
viel Schmerz und Kummer, Einsamkeit

'Was ist geschehen?' fragte er,
'was macht es euch so furchtbar schwer?'
Die Mutter sprach: 'Es ist mein Mann,
der etwas nicht mehr lassen kann

Er spielt, ist trunken noch dazu,
kommt spät nach Hause, völlig zu'
'Ich will dir helfen', sagt der Mann
'so mach doch noch den kleinen Gang

und kaufe Fisch und guten Wein
Das Übrige lass meine Sorge sein!'
Die Frau, sie ging, er blieb im Haus,
saß still mit Würde überaus

Der Gatte kam zu später Stund'
mit einer Fahne vor dem Mund
Er brüllte: 'Frau, ich habe Durst,
und dass du mir nicht wieder murrst!'

Der Meister aber kam zu ihm:
'Sie gab mir Obdach, legte sich hin
Als Dank hab ich euch Fisch und Wein
So tut euch gütlich, schenkt euch ein!'

Der aß und trank, war ganz entzückt
und schlief und schnarchte wie verrückt
Doch saß bei ihm die ganze Nacht
der Meister und hielt still die Wacht

Am Morgen stand der Mann dann auf
Er wusste nichts mehr, fragte drauf,
wer e r denn sei und was da war -
Der sagte es ihm ruhig und klar

Der Mann, der schämte sich so sehr
Es war ihm eine schlimme Lehr',
dass dieser Mann ihn so geseh'n
und bei ihm blieb nach dem Gescheh'n

'Das Leben geht sehr schnell vorbei
wenn Ihr nichts pflegt als Spielerei,
dann könnt Ihr nichts mehr And'res tun
und Eure Frau wird nie mehr ruh'n'

Die Worte war'n verklungen kaum,
er wachte auf wie aus dem Traum!
'Lasst mich Euch dienen eine Zeit,
lasst mich das lernen, wie Ihr seid!

Er folgte ihm, trug seine Last,
das kleine Bündel ohne Hast
Er folgte ihm, erst Stück für Stück,
dann kehrte er nie mehr zurück ...


Nach einer Geschichte des japanisches Zen-Meisters Gudo
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Nichts sehen, aber verstehen

Seht ihr dort den Jungen stehen,
er ist gehandicapt, er kann nichts sehen.
Angeblich als der Liebe Kind,
er sich auf der Erde befind‘.
Doch seine Eltern haschten wohl
und tranken sehr viel Alkohol.

Die große Menge dieser Chemie
veränderte des Ungeborenen Biologie.
Bereits bei der Geburt stellte man fest,
das Augenlicht ist nur ein Rest.
Er wuchs auf bei den Verwandten,
die ihn ihren „Liebling „ nannten.

Er spürte Wärme und Menschlichkeit,
auch unsere Hilfsbereitschaft zu jeder Zeit.
Was andere mit oder ohne Brille sah’n.
konnte er nur fühlen, hören und erahn‘.
Er ging stets die gleichen Strecken,
mit seinem Freund dem weißen Stecken.

Damit fand er Hindernisse und Straßenkanten,
weshalb wir ihn auch „Gullylatscher“ nannten.
Das war aber nicht böse gemeint,
im Gegenteil, es hat uns vereint.
Er zeigte uns wie im Dunkeln man
sich trotzdem orientieren kann.

Bei der Begrüßung seine Finger hasten
und sein Gegenüber leicht abtasten.
Da braucht man nicht zu erschrecken,
Nase und Lippen den Rest entdecken.
Beim Begrüßungskuss hat er entdeckt,
wonach jeder Einzelne schmeckt.

Und er lehrte uns zu hören,
wenn auch laute Geräusche stören.
Vieles haben wir nicht einmal gesehen,
doch er ließ den Kopf uns danach drehen.
Ob die Sonne wärmt, der Wind uns kühlt,
er vorher schon das Wetter fühlt.

Er arbeitete lange Zeit als Telefonist
mit Technik, die sehr selten ist.
Ein Glühlampenschrank war umgebaut,
bei Anruf nur ein Stiftchen schaut.
Modernste Elektronik jetzt auftaucht,
doch niemand mehr Telefonisten braucht.

Sehe ich nun wie er tastend stakt,
hake ich ihn unter ganz ungefragt.
So kann er auf Erholung machen
und wir quatschen über neuste Sachen.
Als Dritten in unserem langjährigen Bund
wünscht er sich nur noch einen Hund.

07.02.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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