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Gedichte über Tiere - Seite 277


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VON DER KIMME BIS ZUM KORN

Ein einsamer Jäger läuft nachts durch den Wald,
ganz oben zieh’n Wolken, von unten zieht’s kalt.
Es schreitet der Jäger durch die Szenerie,
und als er zum Steh'n kommt, ruft er „Halali".
Er ruft, weil der Jagd gilt all seine Gunst,
und deshalb gerät er in solch wilde Brunst,
so daß seiner Füße kräftige Schritte
ihn lenken zum Ansitz in Waldesmitte.
Das Waidwerk alleine stillt Jägers Verlangen,
ob Himmel tiefblau oder düster verhangen,
ob trocken das Wetter oder klatschnaß –
auch mondhelle Nächte kommen zupaß!
Als über dem Walde der Vollmond steht hoch,
späht unser Herr Jäger durchs ferngläsern’ Loch,
entdeckt aber nirgendwo Jagdwild im Grase.
Der Mond ist sehr voll, sehr voll auch die Blase.
Kein Mensch kann die Jagd unter Harndrang genießen,
deshalb will der Jäger den Waldboden gießen.

Erst plätschert’s nur leise, als plötzlich es kracht
sehr laut und vernehmlich in mondheller Nacht.
Jedoch dieser Schuß entwich keiner Büchse,
er traf weder Hasen, noch traf er die Füchse.
Er löste sich vielmehr – sehr zum Entzücken
von Füchsen und Hasen – aus Waidmännes Rücken,
entwich ganz exakt just jenem Gefild,
des’ „Schüsse“ nicht schädlich für Mensch oder Wild.
Vor Schreck übers Knallen entfloh zwar die Meute,
die potenziell taugliche Waidmannsbeute.
Indes hat der Böller nur Tiere erschreckt,
beim Jäger erzielte er jenen Effekt,
daß er still verharrte dort oben im Ansitz
mit vor Erleichterung strahlendem Antlitz.
Aufgrund seiner nunmehr entleerten Blase
und seines Bauches, befreit von dem Gase,
fühlt er nun des Jagdfiebers Tosen im Horn –
es zieht von der Kimme hinauf bis zum Korn.
© Micha Schneider
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