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Gedichte über Natur - Seite 763


Näive

Erzähl mir bitte mehr!
Die Erde ist wieder eine Scheibe..

Menschen sieht man vielerorts die Wege entlangschleifen.
Hinwegtäuschen soll überzüchtetes Bunt und Vielfalt, der eingekaufte aber doch recht freiwildernde Wille, Weltmächte am Herd, in den klimatisierten Fitnesscenter wird tüchtig therapiert. Das Wertewandelkarussell nimmt endlich Fahrt auf. Schluss mit dem hin- und hergezerrten Ich! Jetzt heißt es: Demokratie der Gefühle! Und auch ich stecke mir den Bindebast ins Haar und spraye etwas biologisches Rosenblütenwasser darauf, bin bereit für den Kampf der Veredelung.

Wartest du etwa auch noch auf den richtigen Zeitpunkt, ich darf dich vertrösten. Es ist nur eine Frage der Zeit! Denn die grossartige Botschaft lautet - noch glimmt in jedem von uns ein, zwei, drei Funken untergehendes Empfinden unseres wahren Selbst! Die moderne Devise: "Zuallererst retten wir die Welt, dann uns - leichtgemacht". "Was uns krank macht, macht uns gesund!" Also schütte ich einfach mal wieder grosszügiger Milch und Honig, Zimt und Zucker in den Frühstückskaffee. Ich beobachte mich, wie ich mir ganz heimlich verschmitzt ins gebügelte Karo, ins Stofftaschentuch aus alten Zeiten flüstere: "Wir meinen es nur gut mit dir! So schlecht ist die Welt auch wieder nicht! Man muss nur wollen!"

So gönne ich mir endlich auch wieder mehr Lebensfreude! Zum Beispiel flüchte mich jetzt gezielt und bewusst euphorisch in die Supermärkte der Kultur- und Bildungshöllen, auf der Suche nach echten Schnäppchen und Preisfehlern, die Naturschutzgebiete für Menschen, oder besser noch, die wahren Wunsch(t)räume eines jeden Volkes. Trotz einiger entsetzten Gesichtern, die alltagsentzaubert zu sein scheinen, zutätowiert im Lächeln, Verlierer für die Ewigkeit, so denke ich - dennoch und gerade deswegen mache ich mich hoffnungsfrömmelnd ans Werk. Ich schaffe das - wir schaffen das! Wir sind das Volk!

Zur guten Letzt ist es auch jedem seine ganz eigene, persönliche Klimakatastrophe - oder etwa nicht? Es geht uns jedenfalls alle an - Verschwörungstheorie und Weltpolitik? Und die täglichen Nachrichten? Ich mache mir eigentlich nix draus. Wir haben ein Recht auf Glückseligkeit! Auch der Mond trägt manchmal schwarz, bei zunehmeden Sorgenfalten! Schlummert nicht in jedem von uns ein übeschüttetes Übergangskindheitstrauma?

Erzähl mir bitte mehr!
Die Erde ist wieder eine Scheibe..
Deutschlands Waffenindustrie belegt weltweit aktuell Platz 3!
Und überhaupt - wer wird dieses Jahr Fussballweltmeister?


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Das Haus des Regenwaldes

Wie dunkel still ist es am Boden
Der Tapir streift hier, ungelogen,
durch‘s Dickicht schon seit Jahrmillionen,
spürt auf die Obst- und Blattvariationen

Der Regen rinnt durch’s Blätterdach
Zikaden, Papageien machen Krach
Die Luft ist schwül und in den Ästen,
da schaut die Schlange nach den Gästen

Darüber in den unt’ren Bäumen,
da liegt ein Ozelot in Träumen
Wie viele schläft auch er, wenn‘s tagt
und geht bei Dunkelheit auf Jagd

Im Dachgeschoss im Regenwald,
da hängt im Baum, so ist es halt,
ein Faultier, das frisst Früchte, Blätter
und hat‘s gemütlich etwas netter

Noch höher ragen Urwaldriesen
und schaffen heiße, hohe Wiesen
Dort nisten Aras und Tukane
Ein Affe schält sich die Banane

Nur einer hat den Baum verlassen
Er war zu schwach und musste passen,
musst‘ fortan in Savannen leben
und dort nach etwas Neuem streben

Ganz aufrecht geh’n schien nun am besten
So konnt‘ man sehen und auch testen,
was die Arme, Hände können,
sind sie frei von and‘ren Zwängen

Mit Holz und Steinen konnt‘ man schaffen,
erfand das Werkzeug und die Waffen
Auch Feuer lernte man entfachen,
das Essen kochen, Töpfe machen

So schritt man langsam weiter fort
und kam zu Technik, Kunst und Wort,
zu Viehzucht, Ackerbau und Häusern
Man lernte schriftlich sich zu äußern

Der Geist verleiht ihm so viel Macht,
dass nun als ‚Mensch‘, auf sich bedacht,
kann er sich nehmen, was er will
Sein Wachstum steht noch heut nicht still

Er tötet so viel and’re Wesen
und glaubt sich noch von Gott erlesen
In seinen Wald kehrt er zurück
nicht nur als Wand’rer - Stück für Stück

zerstört er, was ihm Heimat war -
nur für sich selbst. Ist ihm nicht klar,
dass er das Lebenshaus zersägt,
das ihn und alles Leben trägt?


Anm.: das gesprochene Gedicht mit Musik und Bildern ist zu finden auf https://youtu.be/35bz-CMj3BM
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


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