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Gedichte über Krieg - Seite 141


Das Tagebuch

Ich lese gerade kreuz und quer
Geschichte in einem alten Tagebuch.
Das Lesen darin fällt sehr schwer,
da die altdeutsche Schrift ein Fluch.
Die Schreiberin war eine Fremde,
das Buch war schon vermüllt,
doch gegen eine Spende
hat man es hervor gewühlt.

Christa hieß die Schreiberin,
und nach Otto stand ihr Sinn.
Otto, der im Nachbarort wohnte,
zu Hause über 20 Schweinen thronte.
Zu einer Zeit, da hier noch ein Reich
und der Führer aus Österreich.
Otto war sehr nett und lieb,
ein richtiger kleiner Herzensdieb.

Er durfte ihr die Unschuld nehmen
ohne sich dabei zu schämen.
Doch der Krieg war sehr gemein
und man zog ihn zu den Soldaten ein.
Christa wollte sich im Urlaub beugen
und mit Otto Nachwuchs zeugen.
Doch schon 11 Tage später kam ein Brief,
dass Otto nun als Held in Russland schlief.

Von der Kompanie blieb nur einer am Leben,
der musste später Informationen geben.
Tränen haben sich mit der Tinte vermischt
und die traurige Nachricht verwischt.
Sehr lange dauerte ihre Trauer,
dann entsetzte sie der Bau der Mauer.
Der Nachbarort, in dem sie geboren,
ging für Besuch und Treffen verloren.

Dabei hatte sie einen Steinwurf entfernt,
dort eine neue Liebe kennen gelernt.
Tagelang riefen sie noch über den Zaun,
dann ließ man eine Bretterwand bau‘ n.
Ins Dorf durften fremde Bus-Passagiere
durch zeigen der Passierschein Papiere.
Für ein Telefon gab es viele Kunden,
doch über Grenzen wurde wenig verbunden.

Die Uniform mit Essgeschirr und Spaten
erinnerte sie an ihren gefallenen Soldaten.
Sie schrieb nun für die Presse Berichte
und für Geburtstage kleine Gedichte.
Die Zeit verging, das Tagebuch sammelte,
was sonst auf losen Zetteln vergammelte.
Die Krankheiten und täglichen Zipperlein
bewältigte sie plötzlich nicht mehr allein.
War es Schicksal oder schlechter Lebensstil,
sie zog ins Heim am Tag als die Mauer fiel.

07.08.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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