Sortieren nach:

Gedichte über die Hölle - Seite 32


Anzeige


Auf dem Abstellgleis

- nach einem entbehrungsreichen und tristen Leben -

- Fiktion

Die schlichte Frau hatte sich für ihre Familie
abgerackert, regelrecht aufgeopfert,
sechs Kinder geboren, mit Liebe großgezogen,
und trug unermüdlich mit ihrer Hände Arbeit
in Aushilfsjobs zum Familienbudget bei.

Sie war stets eine treusorgende Ehefrau
und Mutter, deren eigene Bedürfnisse
in den Augen aller, denen sie "diente",
aber auch nach ihrem eigenen Dafürhalten
weitestgehend ohne Belang waren.

Sie war gefangen in einem Hamsterrad
einer nicht enden wollenden Plackerei
und egal, wie sehr sie sich anstrengte,
ein aufrichtiges Lob blieb so gut wie aus.

Ihr hart erarbeitetes Geld
war wie gewonnen, so zerronnen -
über viele Jahre hinweg lebten sie
trotz eiserner Sparsamkeit
von der Hand in den Mund.

Von ihren Pflichten nahezu überrollt,
wurde sie das Gefühl nicht los,
der Zeit ständig hinterherzuhinken,
und für die eigenen Interessen gab es
ohnehin nie genügend Freiraum.

So führte sie nicht mal ansatzweise
ein Leben, wie sie es sich sehnlichst
in jungen Jahren erträumt hatte.

Trostlose Jahrzehnte gingen ins Land,
inzwischen war sie schon lange verwitwet,
lebte zurückgezogen in kleiner Wohnung,
Kontakt zu Verwandten, Bekannten
oder zu Freunden fand nicht statt.

Ihre Kinder, untereinander zerstritten,
lebten in Städten, weit von ihr entfernt
und hatten ihre eigene Familie,
die ernährt werden musste und mit der sie
rundum ausgelastet waren.

Sie hatte ihr Tun nach anderen ausgerichtet
und sich dabei häufig völlig verausgabt,
bis auf die Knochen fühlte sie sich ausgelaugt
und nicht nur an den Rand gedrängt,
sondern abgeschoben, vernachlässigt,
nicht wertgeschätzt, für Luft erklärt,
degradiert zu einer Persona non grata,
die anderen nur zur Last allen würde.

So gut wie niemand erkundigte sich
nach ihrem Befinden, ihren Bedürfnissen,
keiner interessierte sich für ihre
Gedankengänge, Wünsche oder Träume.

Freiwillig hatte sie Verzicht geleistet,
um für andere "rund um die Uhr" da sein zu können,
doch jetzt, wo sie dringend Hilfe benötigte,
ausgerechnet jetzt, wo sie alt, gebrechlich,
kraftlos und multimorbide war,
und dem Tode näher als dem Leben,
stand ihr keine Menschenseele bei.

- Ein Schatten ihrer selbst - wusste sie
mit sich selbst nichts mehr anzufangen,
sie war untröstlich und gab sich selbst auf.
Mit weinerlicher, zittriger, dünner Stimme
führte sie resigniert Selbstgespräche,
war depressiv, zunehmend apathisch, lethargisch
und sehnte nur noch ihren Tod herbei.

Ihr Leben, das sie in der Rückschau
"verwirkt" hatte, verlor für sie
jegliche Bedeutung.
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige