Heute war ich in der schrumpfenden Stadt,
wo es immer noch reichlich Menschen hat.
Viele Beamte und Arbeiter und Studiose,
dazu Angestellte, Rentner und, Arbeitslose.
So habe ich mich statistisch stets beeilt
und die Menschengruppen eingeteilt.
Doch heute vor unserem Rathaus stand,
ein Häuschen, das ich schon seltsam fand.
Es war ohne Tür und ohne Schranken,
nur ein Schild „Raum für Gedanken“.
Neugierig bin ich so eigentlich nicht,
doch die Wissbegier ist Bürgerpflicht.
Eine Bank, ein Stuhl, ein Tisch sind hier
und eine Schreibmaschine, samt Papier.
Da die Maschine ganz rosa angestrichen,
hat mich sofort die Lyrik beschlichen.
Ich wollte schon vor den Tasten bleiben
und ein neues Gedicht dazu schreiben.
Doch die notwendige Muse, die dort rannte,
sich selbst als schaffende Künstlerin bekannte.
Ich solle meine Gedanken ins Ausland lenken,
Aufmerksamkeit den Emigranten schenken.
Und nun sitze ich hier vor den rosa Tasten,
während alle Leute schnell vorüber hasten.
Ich bin nicht Merkel, Woidke oder Schierack
und ziehe keine Rede aus dem Frack.
Meine Meinung kann sich sehen lassen,
doch ich kann sie nicht in Worte fassen.
Wenn man so eine Silbe nur verdreht,
ein gänzlich anderer Eindruck entsteht.
Drum Freunde, kommt und diskutiert,
damit es auch zu schönen Sätzen führt.
Hat die Meinung dann gedämmert,
wird auf die Tasten losgehämmert.
Was die Walze am Schluss ausspuckt,
wird sowieso nie wieder angeguckt.
05.11.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann