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Gedichte zur Trennung - Seite 54


Die majestätische Eiche (eine kurze Geschichte)

Majestätisch erhob sich eine wohlgewachsene Eiche über den Waldboden.
Sie fühlte alle Bäume des Waldes über ihre erdverbundenen Wurzeln und sprach:
„Wir sind eins, verbunden über den lebenden Grund, das reine Wasser, die feuchte Erde und die frische Luft“
„Wir sind eins, getragen von ähnlichen Gedanken, der Natur zugetan“
„Wir sind eins, wir setzen unsere Nachfolger auf geweihten Boden, auf dem wir heranwachsen, atmen, leben bis wir in unseren Nachwuchs übergehen.“
„Wir sind eins, gesegnet von dem wärmenden Licht der Sonne, der Zuneigung der Mutter Erde und der allumfassenden Schöpfung“

Eines Tages spürte die Eiche eine Vibration in ihrem Stamm.
Eine Säge zersägte ihren Stamm ungefragt, gefühllos, kalt.
Bis die Eiche fiel.
Die Tiere liefen ängstlich davon. Die Vögel flatterten auf und flogen hinfort.
Mit einem Schlag war die Eiche getrennt, von ihren Schwestern, von Ihren Brüdern, von der Mutter Erde und wie es schien, auch von der Schöpfung.
„Ich bin eins, ich bin allein“ dachte sie ängstlich.
Die Säge zersägte sie unbarmherzig und schmerzhaft in mehrere Teile.

Ein Holzklotz von ihr wurde einem Schreiner gegeben.
Er nahm ein Beil und zerschlug den Klotz in zwei Teile.

Hacke, hacke,
Spalte, spalte
aus eins mach zwei
Beide packe
fest nun halte
und denk Dir was dabei

Die zwei Holzteile sagten einander:
„Liebe Schwester, nun ist es bald aus mit uns. Wir hatten ein schönes Leben und nun liegen wir hier nebeneinander, gespalten. Ich liebe Dich und in Gedanken werden wir immer in Liebe miteinander verbunden bleiben“
Der Schreiner nahm die beiden Holzstücke, ging ins Haus und fertigte kunstvoll und mit viel Geschick zwei Wimpelständer aus ihnen.

Sie sprachen zueinander:
„Sieh nur, wie schön wir sind! Vielleicht haben wir ja gemeinsam doch noch eine Zukunft! Getrennt und doch vereint im Geiste und in der Schönheit!“
So verfolgten sie das rege Treiben in der Werkstatt und unterhielten sich rege.
Dann kam der Schreiner zu ihnen und hing an den einen Wimpelständer einen kleinen Wimpel dran. Er war ganz Gelb mit einem schwarzen Kleeblatt.
Der andere Wimpelständer bekam einen dunkelgrünen Wimpel mit einem weißen Fuchskopf darauf.
Nun sahen sich die beiden Schwestern fröhlich an:
„Sieh Schwester, jetzt haben wir noch ein wertvolles Kleidchen mit einem Naturmotiv bekommen.“

Ein paar Tage später kamen nacheinander zwei Männer und kauften dem Schreiner die zwei Wimpel ab.
Die Männer waren Mitglieder von zwei Vereinen.
Die einen nannten sich „weißer Fuchs“ und die anderen „schwarzer Klee“.
Sie trugen jeder ihren Wimpel in ihr Gasthaus und stellten es auf einen Tisch, der ihr Stammtisch war.

An dem Stammtisch wurde heiß diskutiert und an dem Stammtisch „Weißer Fuchs“ wurden sehr viele häßliche Dinge über die schwarzen Klee gesagt.
Am Stammtisch „Schwarzer Klee“ hörte man dagegen täglich negative Nachrichten über die weißen Füchse.

Hacke, hacke
Spalte, spalte
aus eins mach zwei
Beide packe
fest nun halte
und denk Dir was dabei

Die Eichenwimpel glaubten erst nicht an das, was gesagt wurde, denn es betraf ja auch ihre jeweilige Schwester.
Doch Tag um Tag verging und veränderte ihr Denken.
So nach und nach vergaßen Sie ihre Wurzeln.
Bis sie eines Tages ein neues Gefühl in sich entdeckten.
Das neue Gefühl war „Haß“
So geschah es, dass mit dem Vergessen, die Schwestern begannen, sich zu hassen.

© jogdragoon
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