Gedichte über den Tod - Seite 245

Was tät ich heut nur ohne Morgen,
wenn mir keine Zeit mehr bleibt.
Ich denk ich hätte weniger sorgen,
allerdings auch weniger Zeit.

Wenn ich heute wüsste,
dass ich morgen sterben müsste,
würde ich viele Sachen
auf jeden Fall ganz anders machen.

Würd nur noch mit Menschen reden
die mir wohl gesonnen sind.
Die letzte Zeit in meinem Leben
wär ich unbefangen wie ein Kind.

Menschen die mir nahe stehen
sage ich, "Ich hab dich lieb."
Denn wer weiß ob wir uns wiedersehen,
ob's die Gelegenheit noch gibt.

Wenn ich heute wüsste,
dass ich morgen sterben müsste,
würde ich Menschen die mich plagen
ordentlich die Meinung sagen.

Warum verschwende ich die Zeit
mit Dingen die belanglos sind?
Ich bestehe auf jeden Streit,
auch wenn er mir nicht sehr viel bringt.

Wenn ich heute wüsste,
dass ich morgen sterben müsste,
wäre vieles nicht mehr wichtig,
so mancher Ärger wäre nichtig.

Ich würde diese Zeit genießen,
fernab von Hektik und von Stress.
Lies mir die Laune nicht vermiesen,
an meinem Lebensrest.

Wenn ich heute wüsste,
dass ich morgen sterben müsste.

Doch wer sagt mir, dass es nicht so ist…?


© Michael Jörchel

du sagtest oft zu mir
du wärest ein gefall'ner Engel
wie Luzifer
der durch den Größenwahn
zur Erde fiel
und dich versucht
versucht in Bann
zu ziehn

dann warst du wieder Jesus
der lauthals
das Weltgeschehn
den Regen 
und dir doch leise
mit Vergeben und mit Demut
im Schicksal lag
auf göttlich' Weise

dann warst du
doch nur der
der du bisher auch warst
ein liebenswertes Wesen
das traurig und geknickt
sich ohne Hoffnung gab
in sein erbärmliches
Geschick

nun bist du tot
du lebst weder als Luzifer
noch Jesus
in mir weiter
während ich falle
und verletzt
und trostlos traurig
an deinem Leben scheiter

ich bin das Eine
und das Andre nicht
mein Leben trägt zwar deins
doch auch noch mein Gesicht
in Spuren
unser Spiegelbild
im Widerspruch
zerbricht

mir bleiben liebevoll
die zarten Worte
die hoffnungsvollen Träume
deine Liebe
Zuversicht
dein warmes Lächeln
und dein Größenwahn
dein helles Licht


*für meinen Sohn Rafael

Wie hohl und blechern es klingt, wenn wir sagen,
du lebst weiter in allem Erinnern.
Wir hören dein Schreien und Wehklagen!
Du wolltest dem Tod nur entrinnen.

Entrinnen dem Tod und der Angst, die schürte
die Angst, dass du Jetzt! die Chance verspielst
auf ein Leben in Liebe, Achtung, Würde,
und in Todesangst dein Leben verlierst.

Und doch war Hoffnung dein täglich Begleiter,
geflutet von Angst, verließ sie dich nie.
Sie sagte, wie du, das Leben geht weiter,
auch wenn an Grenzen du nicht wusstest, wie.

Dem "Freund und Helfer" vertrautest du friedvoll
in Todesangst und gedankenverwirrt.
Die Schergen, sie kamen in Scharen mit Groll -
Die Angst vor dem Tod hat sich nicht geirrt.

Die Rettung in Würde vom "Helfer in Not"-
getarnt die Gewalt in schamloser Lüge,
schürte die Angst vor dem Tod durch den Tod,
als grausam fielen die ersten Hiebe.

Soll ich an gewaltsamen Tod erinnern?
Sie werden auch mich noch zum Schweigen bringen.