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Gedichte über Schmerz - Seite 325


Zweisamkeitsprobleme

Zweisamkeitsprobleme

©Hans Hartmut Karg
2017

Sie konnte lebenslang nichts schlechter,
Als über Ihren Schatten springen.
Ein Mann schien Ihr nur dann ein rechter,
Wenn er Ihr Liedlein konnte singen.

Ein Mann hatte nur diese Wahl:
Zu singen, wie Sie es denn wollte.
Versuche gab es ohne Zahl:
Ihn hinzuführen, wo er sollte.

So fing sie einen lieben Mann,
Der sie von ganzem Herzen liebte.
Er hat für sie alles getan,
Wenn er an ihren Lippen nippte.

Er gab auch bald das Rauchen auf,
Besucht´ die Freunde nur sporadisch
Und wandelt´ seinen Lebenslauf –
Dennoch wurd' er nun podagrisch

Sie schickte ihn zum Joggen fort
Und schimpfte, wenn er glücklich war.
Er trank nur Wasser, trieb viel Sport,
Brotzeitete allein sogar.

Sie kontrollierte alles, jedes,
Er musste lesen, was sie wollte.
Dabei war er ein Archimedes,
Der zuhörte, wenn sie es wollte.

Nichts war Ihr recht, nur Ihr Prinzip:
Der Vorführmann muss schlank erscheinen!
So gab es für ihn manchen Hieb,
Den still er musst´ für sich beweinen.

Von Liebe war da nichts zu spüren:
Folgte er, durfte er auch ran,
Ein männliches Geschäft vollführen,
Soweit er es verrichten kann.

Folgte er nicht dem Regiment,
Gab es für ihn nichts zu bestellen.
Es gab für ihn auch kein Event,
Er konnte nur die Tage zählen.

So ließ er sich mit schwerem Herzen
Nach dreiundvierzig Jahren scheiden,
Denn unerträglich wurden Schmerzen,
Die er tagtäglich musst' erleiden.

Um ihrer Fuchtel zu entgehen,
Nicht ewig Ecce homo sein,
Musste er traurig von ihr gehen
Und blieb im Alter ganz allein.

Wer Menschen nur verändern will,
Sie herrschaftlich beständig steuern,
Für den hat ausgedient das Spiel
Der Liebe - nichts lässt sich erneuern!

*
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Nur noch Asche

Nur noch Asche

Ich werde diesen Brief
Den ich dir jetzt schreibe
Aber niemals an dich senden
Du wirst ihn nie lesen können
Ich werde ihn dann in Brand stecken
In Flammen wird er aufgehen
Meine Gedanken darin wirst du nie erfahren

Fein säuberlich, Buchstabe für Buchstabe
Schreibe ich es auf das Blatt Papier
In meiner schönsten Schrift
Werde ich ihn verfassen
Wort für Wort wohl überlegt
Er sollte sozusagen dein Herz berühren

Ich schreibe dir alles
Was ich denke, was ich fühle
Ich sage dir darin, wie ich dich sehe
Du wirst dich wiederfinden
Entdecken in jeder Zeile
In jedem Wort wirst du dich erkennen

Ich kann es nicht leugnen
Wie sehr du mir fehlst
Nach jedem Punkt den ich setze
Spüre ich die Sehnsucht
Die Sehnsucht nach dir
So schmerzlich ist der Schrei nach dir

Ich wollte es ja nicht
Dass du für immer gehst
Doch du sagtest es so oft
Es wäre viel besser für dich und mich
Ich zünde sie an, die Zeilen an dich
Sehe nun vor mir das verkohlte Papier
Nur noch ein Häuflein Asche bleibt zurück

Die Asche liegt immer noch vor mir
Gehäuft auf einem weißen Blatt Papier
Könnte dir jedes Wort noch sagen
Jeder Aschekrümel ein Buchstabe
Erzählt mir wieder von dir
Fege das Blatt mit Schwung vom Tisch

Die Aschestäube sind überall verstreut
Hier an unserem Ort an dem wir
So viele glückliche Stunden verbracht
Erinnerst du dich noch daran
Vielleicht hätte ich dir doch
All meine Worte schicken sollen
Sie sind nun leider verbrannt und überall verteilt

© Ingelore Jung
2017
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Schiffbrüchig

Sein Gefieder glänzte im Mondlicht wie ein Klumpen Silber.
Als ich sicher war, dass er schlief, schlich ich ans Ufer und heftete meine Seele unter seinen linken Flügel.

Ich versteckte mich im Schilf und wartete auf den Morgen.
Endlich hob er den Kopf, lüpfte die Flanken, putzte sein Gefieder und glitt ins heilige Wasser. Ich ließ ihn nicht mehr aus den Augen.
Vom hohen Gras verborgen, lief ich über den Wiesen neben ihm her.

Er reckte seinen schlanken Hals empor und segelte mit stolzer Anmut über das Spiegelbild der aufgehenden Sonne: Eine friedliche weiße Galeere.

Am Großen Priel wäre ich fast über ihn gestolpert, gestern, so gegen Mittag. Er hatte den roten Schnabel im Gefieder versenkt: ein schiffbrüchiger Schwan neben einem toten Fisch.

Die großen und kleinen Gräser ringsum zitterten voller Ehrfurcht;
mein Wiesenschaumkraut neigte vornehm die weißbunten Köpfchen.
Über Deich und Elbe hing tiefe Melancholie, das Quaken der Frösche verstummte und mein Haar senkte sich über beide Augen: ein schwarzbrauner Trauerflor.

Ich sah meinen Schwan die Richtung ändern; er drehte ab
und nahm Kurs auf die Mole. Die oberen Federn seines
Gefieders hoben und senkten sich leicht wie Hände
beim Abschiedswinken. - Ich sah ihn nie wieder.

Mein Schwan ließ Kopf und Hals tief in die Elbe sinken;
ich wusste es längst: Meine Seele, kummerblind, wollte ins Wasser.

Dem Gedächtnis folgend, ging ich über das plattgetretene Gras nach Hause – betäubt und glücklich wie eine Soldatin nach
einem großen Krieg.

Schiffbrüchig fühle ich mich seither ohne Herz und Seele, aber neugeboren und stark wie der tote Fisch.
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