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Gedichte über Niederlagen - Seite 3


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Unerklärlich

….Fast jeder, der Geburtstag hat,
ist häufig vor Erstaunen platt,
wie schnell und unabänderlich
das letzte Lebensjahr verstrich.
Der Mensch erfährt ja von Natur
Zeiträume anders als die Uhr,
die, wenn sie leise tickt und tackt,
die Zeit in gleiche Stücke hackt
und objektiv-mechanisch misst,
egal, ob´s schön, ob´s traurig ist.
Der Mensch misst individuell:
Ist´s schön, verrinnt die Zeit zu schnell.
Verliert das Leben Lust und Sinn,
dann zieht sie sich unendlich hin.
….Auch wird der Mensch im Lauf von Jahren
wahrscheinlich folgendes erfahren:
Am Anfang scheint er durch die Zeiten
im Schneckentempo hinzugleiten.
Allmählich kriegt die Zeit Propeller,
von Jahr zu Jahr verfliegt sie schneller.
Darauf beginnt sie wegzustieben
wie von Raketen angetrieben.
Zuletzt verkrümelt sich die Zeit,
so scheint´s, mit Lichtgeschwindigkeit.
….Zwar zeigt sich auf der Lebensreise,
er wird normalerweise weise.
Doch merkt er auch, sobald er klug,
er ist nie wirklich klug genug.
Er hängt noch stets an vielen Dingen,
die längst verschwanden und vergingen,
beansprucht, was er nicht besitzt,
und klagt, obwohl es ihm nichts nützt.
Er sagt: „Ich hätte“ und: „Ich wäre“,
zieht selbst doch selten eine Lehre,
hält´s aber für der Mühe wert,
dass er die anderen belehrt.
Das Leben strotzt von wunderlichen,
unausrottbaren Widersprüchen.
Ich wünsche dir in solchen Lagen
Geduld und Kraft, sie zu ertragen.
Bedenke, wenn du andern grollst,
auch Du bist nicht so, wie Du sollst.
Genieße das Geschenk der Zeit
mit Umsicht und Gelassenheit
und lass Dich nicht zu Boden boxen
von all den vielen Paradoxen,
die Dich von außen überfallen
und sich in dir zusammenballen.
….Und die Moral von der Geschicht´:
Auch ich, der Weise, weiß sie nicht.
Silesio
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Taubheit

Vielleicht reicht schon ein bisschen Morphium,
um diesen Schmerz zu stoppen.
Vielleicht reicht schon ein Pflaster,
um diese Blutung zu stoppen.
Vielleicht reicht schon ein Paar Ohrstöpsel,
um dieses Schreien zu stoppen.
Vielleicht reicht schon ein Rettungsfloß,
um dieses Ertrinken zu stoppen.
Vielleicht reicht schon ein bisschen Taubheit,
um diese Qual zu stoppen.

Ich bin jetzt schon seit einigen Wochen taub...

Es begann an meinen Zehen.
Es knabberte an meinen Beinen.
Es flirtete mit meinem Kopf.

Es schlich sich leise heran.
Es kroch durch meinen Körper.
Dann nahm sie mir mein Herz.

Taubheit ist ein lautloser Killer.
Taubheit ist ein Verräter.
Taubheit ist nicht das, was sie zu sein scheint.

Sie stoppt den Schmerz nicht,
hält nur die Schleusen auf
schlafloser Nächte schreiender Herzen,
blutunterlaufener Augen ...

Gerade lange genug,
um einen Hoffnungsschimmer zu erhaschen,
eine Fata Morgana in der Sahara,
so schön und doch so grausam.

Gerade als ich nahe genug bin,
um ein süßes Morgen zu kosten,
geht die Wüstensonne unter.
...
und ich blute immer noch
und du bist immer noch weg

Vielleicht reicht schon ein bisschen weniger Hoffnung,
um diese Suche zu beenden...
...
Sie ist vorbei!
...
Doch es gibt ein Danach!
Mein Herz hält mich wach,
schüttelt mich ganz LAUT...
... ich bin nicht mehr taub!

Wenn du verloren und allein dich fühlst,
lass einfach dein Herz dich führen!
Es klimmen viele leise Lichter in ihm,
wenn du nur willst
... öffnen sie dir neue Türen.

© meteor 2024
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