Gedichte über das Leben - Seite 187

Noch nie erschien das Meer so rührend,
tiefe Wässer - fast schon schwarz.
Meine Bewegung nur ganz ruhend,
vertieft im Traum.

Der Sturm übernimmt das Spiel,
und sein immer wachsendes Verlangen
lässt keinen Platz für einen Deal
für immer gefangen.

Die Wellen - ganz verspielt
von links und rechts ergreifen sie,
ein Angriff - so gezielt
wie nie zuvor.

Sie quellen über mein Bord,
nehmen das Leben,
begehen Mord,
kommend und gehend.

Vorhergesehen ist mir der Untergang,
wie auch der der Sonne,
der übergreifender Bang'
blutrote Wonne

Der Möven das letzte Schreien;
die quallvolle Stille,
die Männer weinen,
das Maul öffnet sich
Idylle

Von Strömen umflutet,
von Wasser durchblutet,
gestrandet am Meeresboden,
wie unter Drogen
krankhaft

Verloren, versunken,
vom Meere verschlungen,
für immer vergessen,
von Tiefe besessen

Sie kennt keine Ballade
Nicht Goethe und nicht Grass
Sie liest nur Frau im Spiegel
Hat dabei ihren Spaß

Kennt nichts von Heinrich Heine
Auch Schiller ist ihr fremd
Sie liest nur Frau im Spiegel
Schaut Bilder ungehemmt

Hat nie den Kant gelesen
Auch nicht die Odyssee
Sie liest nur Frau im Spiegel
Und findet das O K

Die göttliche Komödie
Die einst der Dante schrieb
Ein Satz darin zu lesen
Das wär' ihr gar nicht lieb

In Goethes Faust zu blättern
Das ist ihr viel zu schwer
Doch ihre Frau im Spiegel
Die liebt sie dafür sehr

Selbst Shakespeare's große Dramen
Die sind ihr ganz egal
Doch ihre Frau im Spiegel
Die liest sie jedesmal

Von Uhland die Gedichte
Auch die von Claudius
Die will sie gar nicht lesen
Die bringen ihr Verdruss

In ihre Frau im Spiegel
Schaut sie begeistert rein
Doch große Dichter lesen
Das fällt ihr gar nicht ein

Beim Schultreffen wie jedes Jahr
sind alle Freunde wieder da
Ich freu mich sie wieder zu sehn
wie lös ich aber mein Problem

Was zieh ich zu dem Treffen an
dachte ich frag mal meinen Mann
Dem war es sowas von egal
er meint, ich hätt genug Auswahl

Bin schnell zu meinem Kleiderschrank
fand auch ein Kleid, das mir gut stand
Kann damit nicht zum Treffen gehn
das hatten die schon mal gesehn

Ich hätte gern ein smartes Kleid
kein Sack, eins das auch Kurven zeigt
Nachdem ich holte meinen Wag'n
bin ich in Richtung Stadt gefahr'n

Dort in 'nem schicken Modehaus
hab ich ein flottes Kleid gekauft
Jetzt kann ich endlich feiern gehn
die lieben Freunde wiedersehn

Was für ein Schock als ich dort war
und eine Freundin von mir sah
nämlich zu meiner großen "Freud"
stand sie vor mir im gleichen Kleid

Hab mich geschämt wie nie zuvor
und schoss somit ein Eigentor
Wer hätte denn daran gedacht
dass jemand Konkurrenz mir macht

Lass uns springen, laufen, hüpfen,
nochmal ins Kleid der Jugend schlüpfen
Lass das Feuer uns entfachen
zu einem ganz befreiten Lachen

Lass uns doch das Leben spüren
das wir jetzt noch mit uns führen
Lass uns rasch den Zorn entsorgen
und die Furchtsamkeit vor Morgen.

Lass uns mit dem Jetzt beschenken
und auf die Gegenwart beschränken
Lass, wenn wir am Alter kranken
dies trotzdem tun, dann in Gedanken

Lass uns über allem schweben
uns über Zank und Streit erheben
solang noch nicht das letzte Blatt
das Lebensbuch geschlossen hat.

Lass uns den Gefühlen lauschen
uns am Sonnenschein berauschen
und wenn wir ihre Wärme nützen
kann Alter nicht vor Freude schützen.

© 05-2017 Greta Hennen