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Gedichte Über Gedanken - Seite 590


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Selbstgerechtigkeit

Selbstgerechtigkeit steht für den Habitus von Personen,
die sich gewohnheitsmäßig mit anderen vergleichen,
dabei immer wieder zu der klaren Überzeugung kommen,
sie halten die Regeln strenger ein, als die die abweichen.

Selbstgerechtigkeit macht die Eitlen & Stolzen blind.
Sie hüllt die Unbelehrbaren wie ein Leichentuch ein.
Das Selbst wird verherrlicht, alles andere ist Sünd'.
Nichts an Gegenbeweisen wird jemals genug sein.

Selbstgerechtigkeit zeigt mit dem Zeigefinger auf andere.
Sie notiert gewissenhaft die Fehler ihrer Widersacher.
Egal, ob Bagatelle oder längst gesühntes Begangene,
selbstgerecht wird nichts vergessen, was bringt Lacher.

Selbstgerechte Menschen grinsen wie die Aasgeier.
Lauthals prangern sie immer wieder Sünder offen an.
In ihrer Vollkommenheit tönen sie wie Marktschreier,
Kritik an ihrem Handeln treibt sie in den blanken Wahn.

Sie schmückt sich mit Sprüchen über Liebe und Weltfrieden.
Sieht sich zum Vorbild berufen, als aufrechter Wegweiser.
Die Selbsterleuchtung ist ihr von Geburt an beschieden,
sie selbst ist in ihrer Selbstverehrung ihr größter Lobpreiser.

Selbstgerechtigkeit verbirgt sich hinter einem Vorhang,
hinter der will sie ihre Doppelzüngigkeit verbergen.
Die Angst vor Einsamkeit versetzt sie in diesen Zwang,
mit Lügen und Hetze ist sie um Aufmerksamkeit werben.

Selbstgerechtigkeit erkennt jeden schlechten Charakterzug,
wittert Narzissmus, Blendertum auch ohne Uni-Examen.
Zur Not erfindet sie "Belege" für jeden gemeinen Betrug,
wenn widerlegt, tat sie das ja nur im gerechten Rahmen.

Mit Selbstgerechtigkeit ist nicht wirklich gut Kirschenessen,
wer es sich mit ihr verscherzt, wird entkernt ausgespuckt.
Allen um sie herum lässt sie es sogleich dann wissen,
schaut genau hin, so ergeht es allen, wer aufmuckt...

© meteor 2024
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