weil’s Schnürsenkel regnet da draußen und mir die Wolken
das Licht nehmen, schließ’ ich die Fenster und Türen, sortie-
re meine hungernden Schatten und verberge meine Liebe zu
dir in sorgsam gefalteten Händen, auf dass sie behütet bleibt
und dem Sturm aus Hassworten widersteht; so grau grau der
Morgen mitten im Sommer, in dem mir die letzten Schuppen
von den Augen gefallen sind und das Vertrauen in das Sichere
re, Gute und Zuverlässige sich ins kahle Stachelland ungläub-
igen nicht verstehen Wollens verkrochen hat; Julitag, anders
als alle Julitage zuvor, das Helle in uns scheint sich dem Dunk-
len unterworfen zu haben; in Parlamenten sucht jede jeder die
Schuld beim Andren; ungläubig stehen wir vor einem blutigen
Scherbenhaufen aus getäuschter Hoffung, gebrochenen Vers-
prechen; wir lassen sie im Stich, die sich bekannt haben und
auch die Freiheit der Frauen ist bedroht, sie werden sich unter-
werfen müssen, um zu überleben; die Erde bebt, Wasser und
Stürme töten und vernichten Träume weltweit, alles Lebendige
bedroht, Länder brennen, Millionen auf der Flucht vor Hunger
und Gewalt; ich fühle mich ausgeliefert und habe meinen Weg-
weiser aus den Augen verloren, der mich so sicher führte bis-
her, Gott, komm aus deinem Versteck, rette dein Ebenbild und
alles, was du geschaffen hast, vor dem Untergang; ich greif zu
einem Buch von gestern, vergessener Satz eines großen Poet-
en, besser kann man die Worte nicht setzen: *Engel wenn Du
ihn suchst, er ist Erde zwischen den Steinen am großen Berg*,
heut wärmt mich das Leben nur zögerlich, Verluste vagabun-
dieren mir über die Stirn, ich fahre mir mit der Hand übers Ge-
sicht, verwische eins, zwei wertlose Tränen, sage die gefund-
enen Silben rückwärts auf und begebe mich mit Vorsicht nun
daran, auch diesen schweren Tag mit Abstand zu betrachten
* Teil des Gedichts “Engel“ von Heinrich Böll
© M.M.