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Gedichte über das Alter - Seite 61


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Du bist alt

Brachialisch bricht mit Urgewalt
die Wahrheit durch: Mensch du bist alt.
Was früher ging mit Leichtigkeit,
ist heute harte Schwerstarbeit.

Ein beispielhafter Tageslauf
deckt schonungslos die Fakten auf:
Nach einer langen Fernsehnacht
hast du dich müd ins Bett gebracht.
Doch schon noch kurzer Einschlafphase
macht mächtig Druck die schwache Blase.
Du schlurfst ins Klo, verwirrt und schlapp,
und tröpfelst etwas Inhalt ab.

Nach neuem Anlauf findest du
trotz Müdigkeit noch keine Ruh.
Du spürst den Puls, der Wecker tickt,
bis dich erneut der Harndrang zwickt.
Das wiederholt sich so fast stündlich
und versaut den Schlaf dir gründlich.
Die Lebensfreude stellt sich quer:
Alt zu werden, das ist schwer!

Der Spiegel-Blick am nächsten Morgen ´
bereitet dir gleich neue Sorgen:
Dir starrt entgegen eine Fratze,
unaufhaltsam wächst die Glatze,
viele Zähne gibt’s nicht mehr,
die Augen wirken fahl und leer.

Auch der Falten-Check verkündet,
dass die Schönheit mit den Jahren schwindet;
ganz zu schweigen von den lieben
früheren Hormonen-Schüben.
Was einst die Triebe hielt auf Trab,
spielt sich jetzt nur gedanklich ab.
Lang zu leben wünscht sich jeder;
wie schwer das ist zeigt sich erst später!

Mies gelaunt und nichts im Sinn
setzt du dich stumm zum Frühstück hin.
Die Tasse fest und ruhig zu halten
ist schier unmöglich bei den Alten.
Und schon hast du erschreckt entdeckt:
Das Tischtuch ist Kaffee-befleckt.
Indirekt erahnst du schon
den kalten Hauch von Parkinson.

Die Neugier übernimmt die Leitung:
Du stocherst in der Tageszeitung
und liest, was aktuell verdorben ist - - -
und wer zuletzt gestorben ist.

Trotz Respekt vor fremden Leichen
ertappst du dich beim Jahr-Vergleichen
und stellst dabei schnell rechnend fest:
Du knabberst nah am Lebensrest.
Statistisch - deine Stirn wird wellig -
bist auch du längst „überfällig“.

Du nimmst entsetzt ein Stärkungstränkchen
und gehst zum Apothekerschränkchen.
Gemäß dem guten Ärztewillen
verschlingst du eine Vielzahl Pillen,
um damit, so willst du es glauben,
den Schmerzen ihre Kraft zu rauben.
Doch was der Doktor auch verschreibt,
was bisher krankhaft war, das bleibt:

Die braunen Flecken in der Hose,
die peinigende Arthrose;
das stechende Gefühl beim Bücken
in einem viel zu steifen Rücken;
der Blutdruck ist mal hoch mal niedrig,
dein Puls mal stürmisch, manchmal friedlich;
aus Achseln strömen strenge Düfte,
Fett summiert sich um die Hüfte;
bäuchlings lassen sich die Lappen
auch mit Schmalkost nicht mehr kappen. - - -
Da vergeht dir schnell das Lachen:
Altern ist nichts für die Schwachen!

Du kannst dein Leben nur genießen
wenn auch genügend Euros fließen;
das fällt fällt dir aber ziemlich schwer,
denn deine Kasse ist oft leer.
Drum steigert sich zum Monatsende
die Sehnsucht nach erneuter Rente.
Deshalb bremst die Alterung
auch finanziell den Daseins-Schwung!

Neben quälenden Gelenken
macht dir Kummer auch das Denken.
Die Brille die vermisst du,
den Hochzeitstag vergisst du;
doch was vor langer Zeit geschah
ist dir im Geiste wieder nah.
Heimlich, still und leise
geht der Verstand auf Reise.

Die bittere Einsicht kommt erst später,
wenn der Lebensplan zusammen bricht:
Alt werden will ein jeder,
doch alt sein? - - - nein, das bitte nicht!!!


(© Friedrich Graf)
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