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Gedichte über das Alter - Seite 126


Der Kuchen

Ich darf zwar keine Werbung machen,
doch hier gibt’s immer was zum Lachen.
Neulich saß ich in der langen Wartereihe
und lauschte mit auf die Massageschreie.
Wir haben uns gerade vor Lachen gebogen,
da ist die Haustür weit aufgeflogen.

Eine ältere Dame kam mit vollen Händen
und etlichen Beuteln um die Lenden.
Ein Päckchen sie sehr behutsam legte,
ich schaute, ob sich da etwas bewegte.
Kommt sie vielleicht vom Tierarzthaus,
dann ist in der Tüte eine weiße Maus.

Die Dame hielt sie mit festen Händen
ohne ihren Inhalt uns zu senden.
Ich wollte mich meinem Buch zuwenden,
da schien ihre Sprachlosigkeit zu enden.
„Beim Bäcker war es das letzte Blech.
Sonst habe ich nämlich immer Pech.“

Alle Köpfe sich nun zu ihr drehten,
zumal jetzt süße Düfte wehten.
Speichel sich aus diesem Grund
bildete in manchem Mund.
„Blaubeerkuchen war der letzte Posten!“
„Oh, den würde ich jetzt gerne kosten.“

So dachte vorerst leise nicht nur ich
sondern auch die andern sicherlich.
Die Dame machte jetzt den Fehler,
blieb ein Appetit machender Erzähler.
Sie sagte: „Wir können uns nicht laben,
weil wir keine Teller und Löffel haben.“

Schon hörte man die Chefin weg hasten,
erscheinen mit Pappen und Besteckkasten.
Alle hatten es mit Wirbelsäule oder Steiß,
doch im Nu bildeten sie einen Kreis.
Mit Pappe und Löffel wurde die Tüte
zum Kuchenspender erster Güte.

Ehe die Patientin sich versah,
war nur noch die leere Tüte da.
Alle zogen eilends sich zurück
mit dem unverhofften Glück.
Ich habe ihr 10 Euro beschert,
denn das war der Spaß mir wert.

23.01.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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Die Hörgeräte

Leise wollte auf die Welt ich kommen.
Da die Hebamme kein Wort vernommen,
klatschte sie auf den Po mir fein
und ließ mich so ins Leben schrei‘ n.

Der Lehrer in unserer Klasse der Frechen,
wollte, dass wir laut und deutlich sprechen.
Die Erwachsenen sollten uns nicht nur sehen,
sondern unsere Sprache auch verstehen.

In der Lehrzeit als Azubi war es Pflicht,
dass man laut und höflich spricht.
Kannte man die Kunden auch wie alte Latschen,
hieß es laut und verständlich quatschen.

Nicht gerade höflich, doch dafür laut,
hat die Armee mich aufgebaut.
Der Ausbilder schrie wie ein Stier,
dabei stand er neben mir.

Beim Studium laut im Hörsaal reden,
ohne Mikro traf es einmal jeden.
Man musste die Hübschen und Schönen
bei ihrem Flirten übertönen.

Die Arbeit wurde leichter, wie es schien,
doch Maschinen lärmten, alle schrien.
Als erste sagte meine Braut:
„Du, du schreist so laut!“

Die Ehefrau mahnte später: „Ruhe!
Die Kinder schlafen in der Truhe.“
Ein Telefon musste ich nicht buchen,
nur Fenster auf, die Richtung suchen.

Als der Betrieb ward umgebaut,
hieß es plötzlich: „Du sprichst zu laut!“
Selbst ins Bordell durft ich nicht rein,
mein Stöhnen wär schädigendes Schrei‘ n.

Ich selber hab bald dumm geschaut,
mich zu reden kaum getraut.
Da hörte ich meine Nachbarn sagen:
„Du müsstest HNO mal fragen.“

So begann mein Weg der Leiden,
den ich eigentlich wollte vermeiden.
Da der Hausarzt meine Stimme kannte,
ich gleich zum HNO-Arzt rannte.

Dort bohrte man in meinen Ohren
und hat das alte Schmalz geboren.
Dann schoben sie mich ins Separee,
und lehrten mich das ABC.

Vom leisen Affen bis zur lauten Ziege,
das Lexikon ich über Kopfhörer kriege.
Dazu Frequenzen auf schonende Weise,
doch für mich war alles zu leise.

Deshalb schrieb man auf die Schnelle
ein Protokoll an jener Stelle.
Das ergab dann mit Verlaub,
ich kann nichts hören, ich bin fast taub.

Und ich sollte mich bewegen
und mir ein Hörrohr schnell zulegen.
So eines, wie ich es gesehen hätt,
im Fernsehen bei Opa Hoppenstädt.

Ich machte deshalb nicht viel Wind
und eilte zur Akustik-Firma geschwind.
„Guten Tag, treten sie ein,
darf es etwas zu trinken sein?“

Hut und Mantel an den Nagel kommen
und dann wird kurz mal Platz genommen.
Wieder geht es ins Separee
und wieder höre ich das ABC.

Wieder gibt es ein Protokoll,
auch sein Ergebnis ist nicht toll.
Dafür formte man schon
meine Ohrmuscheln aus Silikon.

Wir sehen uns wieder in einigen Tagen,
dann werde ich Geräte zur Probe tragen.
Die Tage vergingen viel zu schnell,
schon stand ich wieder an der Stell.

„Das Rote rechts, das Blaue links,
nicht vertauschen, dann gelingt‘ s.“
Gemeint war jener Muschelpunkt,
der gleich in jedes Ohr getunkt.

Der Verstärker zu verstärken beginnt,
fremdes Geräusch mir durchs Gehirne rinnt.
Ich hör nun plötzlich solche Sachen,
die teils Spaß, teils Ärger machen.

Regler rechts und Schalter links?
Beides gleich ist neuerdings.
Keine Schwiegermutter wird mehr stören,
ich kann sie nun von weitem hören.

13.02.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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