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Gedichte über Tiere - Seite 66


Katzenschläue

Wenn das Wetter draußen ekelt,
der Mensch sich hinterm Ofen räkelt,
dann ist Zeit zum Überdenken,
Gedanken an Vergangenes zu lenken.

Sommerurlaub unter dichten Buchen,
keiner musste sonst die Sonne suchen,
nur die Pilze waren rar,
weil es viel zu trocken war.

Doch dann hieß es sich bewegen,
denn drei Tage lang fiel Regen.
Ich war schlau und ich war alt,
drum war ich allein im Wald.

Die Pilze, diese langersehnten,
sich dort meist im Kreis ausdehnten.
Schon von weitem sah ich die Massen,
und schien den Rückweg zu verpassen.

Die Suche bald ein Ende fand,
der Korb war voll bis übern Rand.
Das war sicher wunderbar,
doch wusste ich nicht mehr, wo ich war.

Die Buchen waren hoch und dicht,
man sah vor Wald die Sonne nicht.
Wo ist Süden und wo Westen?
Woher kommt das Licht am besten?

Hätte ich die Katze mitgenommen,
wäre ich längst nach Hause gekommen.
Denn die kleinen Stubentiger
sind die wirklichen Orientierungssieger.

Dort wo die Katze ständig lebt,
sie auch nach Orientierung strebt.
Sie prägt sich so zu Hause fein
Sicht-, Geruchs- und Lautbilder ein.

Der Mensch sagt voreilig und dumm:
„Die Katze stromert herum.“
Dabei verzeichnet sie in ihrem Gehirn
Jeden Pflasterstein und jedes Gestirn.

Der Mensch nutzt gern schlaue Sprüche,
die Katze liebt wiederkehrende Gerüche.
Bekanntes stets ihr Leben bereichert
und Neues wird exakt gespeichert.

Genauso ist es mit den Geräuschen,
die Katze lässt sich nicht täuschen.
Sie kennt den Gut-Böse Unterschied,
drum schläft manche sogar beim Schmied.

Ich traf im Wald zwar keine Tatze,
doch ich nutzte die Navigation der Katze.
Augen schließen, Ohren drehen,
horchen, woher Geräusche wehen.

Und siehe da, was sonst im Urlaub störte,
ich aus der Ferne eine Säge hörte.
Das Geräusch war wunderbar,
jetzt wusste ich endlich, wo ich war.

Ich lief langsam meine Schritte lenkend
und immer an die Katze denkend.
Da ich bisher niemand davon berichtet,
sei froh, dass ich es für dich gedichtet.

17.12.2015 © W.R.Guthmann
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Der Hirsch

Das Morgenlicht ist schon erwacht,
der Hirsch erhebt sein stolzes Haupt
Die Erde ist noch taubenetzt-
schon geht des neuen Tages Lauf

Sein Ruf hallt weit hinaus ins Land,
er rüstet sich für diesen Tag
in Freiheit, Kraft und aller Würde -
Allein zu sein, das macht auch stark

Er läuft die wohlbekannten Pfade,
er steigt hinauf und stiebt hinab
Kaum einer hindert seine Wege -
zum Wasser zieht es ihn mit Macht

Er kommt zum Lauf des kleinen Flusses
und trinkt das herrlich kühle Nass
So kann das Leben weiter fließen -
braucht wenig Sorgen, keinen Hass

Noch and’re sind im nahen Wald
auf Wiesen und in lichten Höh’n
Sie spüren wohl ein inn'res Band -
so kann das Leben weitergeh’n

Ein tiefes Röhr'n manchmal erschallt
im tiefen, dunklen, wilden Wald
Zur Zeit der Brunft ruft er hinein:
"Hier, hier bin ich und hier ist mein"

So stattlich sein hat seinen Preis,
er trägt ja schwer, frisst viel und kämpft
Verliert bisweilen, blutet auch
und lebt auch mal etwas gedämpft

Der Abend senkt sich in die Fluren,
zum Wald hat er sich aufgemacht
Geschützt und still kaut er das wieder,
was dieser Tag ihm dargebracht


Anm.: Die Hirsche sind - bis auf die Brunftzeit im Herbst - Einzelgänger, während die Hirschkühe im Verband mit den Jungen leben. Ihr mächtiges und schweres Geweih, das ihre ganze Erscheinung bestimmt, wird jedes Frühjahr abgeworfen und muss erst wieder nachwachsen. Da muss der Hirsch bis zu 20 kg am Tag an Gräsern, Rinde, Pilzen und Beeren zu sich nehmen. Die Wissenschaft rätselt bis heute über diesen riesigen Aufwand. Der jährliche Neuaufbau könnte so etwas wie ein internes Regulativ sein: die gewaltige Kraft, Präsenz und Potenz ruft vielleicht nach einem starken Gegengewicht. Oder man entledigt sich wenigstens für ein paar Monate mal dieser Last, die ungefähr einem mit Wasser gefüllten Eimer entspricht, den wir ständig auf dem Kopf trügen.
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