Sortieren nach:

Gedichte über Krieg - Seite 131


Ein Insekt

Was uns sticht, wenn man es neckt,
ist meist die Wespe, ein Insekt.
Den Honig aber, der uns schmeckt,
liefert die emsige Biene, ein Insekt.

Des Frühjahrs erste Blüten entdeckt
die dickliche Hummel, ein Insekt.
Arme und Beine uns leider oft befleckt,
die saugende Mücke, ein Insekt.

Aber mich hat im Flieder erschreckt,
die große Hornisse, ein Insekt.
In der Stadt sieht man sie kaum,
ihre Wohnung ist meist ein Baum.

Ein dicker Baum, der innen hohl,
gefällt dem Hornissenvolke wohl.
Bei uns ist es eine alte Birke,
die auf Hornissen anziehend wirke.

Denn als einst der Krieg zu Ende war,
pflanzten die Russen ein Birkenpaar.
So wurde traditionell Erinnerung geboten,
an die ferne Heimat der hier liegenden Toten.

Die Birken wuchsen über Asche und Leichen
und wollten bis in den Himmel reichen.
Doch Wind und Wetter, Regen und Trockenheit
verkürzten sichtbar ihre Wachstumszeit.

Eine Birke zerbrach vor Jahren im Sturm,
stand lange wie ein schlanker Turm.
Beim zweiten Baum wurden Äste gestutzt,
das haben anfangs die Vögel genutzt.

Sie schufen eine Höhle für das Nest
und pickten am morschen Baumkernrest.
Als die fertige Brut dann ausgeflogen,
ist das Königreich der Hornissen eingezogen.

An der Höhlendecke, wie die Fledermäuse,
errichteten sie ihr Staatsgehäuse.
Statt sich am süßen Nektar zu laben,
zerkauten sie Rinde für brutfähige Waben.

Diese Rinde, vom Flieder und ganz frisch,
holten sie über unserem Gartentisch.
Wir sahen, wie sie schälten Stück für Stück
und flogen schwerbeladen zurück.

Langsam und auf kürzesten Strecken,
keine Umwege zum Verstecken.
Sie wirken bedrohlich, nicht sehr niedlich,
sind dafür aber äußerst friedlich.

Hole ich Weintrauben an der Wand,
arbeitet langsam und ruhig meine Hand.
Nur nicht wild und hektisch eilen,
es lässt sich auch ganz friedlich teilen.

Hat man doch ängstliche Gewissensqualen,
Hornissen lieben ausgelegte Birnenschalen.
Wenn es dann Tier und Menschen schmeckt,
lobt die Hornisse, als ein befreundetes Insekt.

09.06.2017 © W.R.Guthmann
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige


Ein Lebenslauf

Ein Lebenslauf

©Hans Hartmut Karg
2017

Der Vater kam noch einmal heim,
Nachdem die Kugel ihn verwundet.
Er wollte bleiben, glücklich sein,
Hat allen Zuneigung bekundet.

Wahn lässt die Guten nie allein,
Wenn der Despot den Kriegsgang will.
So kann der Mensch nicht selig sein:
Alles Bedrohung, nichts ist Spiel!

Deshalb zog man ihn wieder ein,
Nach Danzig und kurz vor dem Ende.
Dort sollte Hitlers Held er sein
Für eine späte Siegeswende.

Da fiel er und kam nicht mehr heim,
Die Ehefrau stand nun allein
Mit Kindern, die noch viel zu klein –
Und niemand konnte Hilfe sein.

Die Kriegerwitwe aber kämpfte,
Zog mutig ihre Kleinen groß,
Damit das Fatum sie nicht dämpfte
Und sie trieb in ein Armenlos.

Sie putzte und verdingte sich,
Die Kinder lernten immer viel.
So mauserte der Jüngste sich
Zum Türverkäufer mit Gefühl.

Die Kinder wurden alle gut,
Gedachten an den toten Vater.
Sie lernten und mit Lebensmut
War Mutter ihnen oft Berater.

Und neuzehnhundertfünfundfünfzig
(Wer weiß das von den Jungen noch!)
Kamen sie hin nach Gürzenich:
Befreit vom Krieg und schlimmem Joch.

Gefangene aus Russland kamen
Bis Friedland – und zurück ins Land!
Der Adenauer schuf den Rahmen,
Weil er zur Menschenwürde stand.

Der ledige Bruder unseres Toten
Kam her ins Kriegerwitwenhaus.
Er war fein, konnte Wälder roden,
Er schreinerte und baute aus.

So kam es schließlich gar zur Hochzeit,
Die manche Dörfler arg beäugten.
Nun endete das lange Leid,
Weil sie das Glück offen bezeugten.

Da war nichts Zweck und nichts Bedenken,
Das Herz gewonnen hatten sich
Die Beiden, konnten Liebe schenken
Und ausmerzen den Schicksalsstich.

Der Jüngste sagte überzeugend,
Dass er 'nen zweiten Vater hatte,
Der gut zu ihm, sich zu ihm beugend
Ihn trotzdem packte nicht in Watte.

Vorbildlich, fleißig, immer treu
Ward dieser Vater anerkannt.
Der Lebenslauf war nun wie neu,
Das alles ging gut von der Hand.

So musste sich am End' nichts trüben,
Groß blieben elterliche Herzen.
Nur jene, die auch wirklich lieben,
Können Schläge gut verschmerzen.

*
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige