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Gedichte über Kinder - Seite 138


Hallelujah

Auf wunden und wackligen Kabenfüssen schlugen sie mich eisig durch die viel zu engen, verwinkelten Gassen der versteinerten Vernunft. Sie falteten scheinheilig ihre Hände und predigten das "Hallelujah", schmissen Öl und Myrrhe vom drohenden Berg Golgatha. Sie trieben mir stumpfe Keile und rostige Ketten in die Gehirngänge, das Lebendige sollte stocken, sie kreuzigten mich mit kaltgepresster Gottesfürchtigkeit, schlugen mich mit gnadenlosem Arbeitszwang und segneten mich mit Hungertuch und Peitsche. Ihre Herzlosigkeit war grenzenlos, mein Futterneid sollte mich so verdient nötigen, dass selbst hungernde Kinder aus der dritten Welt sich noch satter zu fühlen wussten. Sie spielten Adam und Eva, nackt und unschuldig auf der Heide. Sie beschmierten mein waches und hoffnungfrohes Sonnengesicht mit Fäkalien und verhöhnten mich im verwunschenen Garten Eden, am wunderschönen Sommertag. Sie zwangen mich mit bösem Blick, dreimal verleugte ich mich selbst vor der viel zu nasenweisen, in die Jahre gekommenen Nachbarin, die alles genau zu bezeugen wusste. Bittere Stunden, ein verträumtes und geordnetes Tausend-Seelen-Dorf, das sich in schwäbischer Sparsamkeit und demütiger Gemütlichkeit gesund aalte, das zu jeder Gelegenheit und Jahreszeit sich selbst zu feiern, die unpassende Leerzeile des Lebens geschickt ignorieren oder gekonnt zu löschen wusste. Meine Träume verwandelten sich in millionenfache Splitterscherben der Verzweiflung, diese trieben sie mir bewusst und gezielt ins innere Auge, ins Mark, ins arme Herz.

Sie nannten es Kindheit, ich färbte den Schnee , mal rot, mal schmolz er. Im Haus der geraubten Seelen fragten sie mich fadenscheinig nach meiner Lieblingsfarbe. Ob ich wüsste, wer mir die Augen verbunden hätte und wer mich zeugte? Ob ich wüsste, dass meine Mutter eine Hure sei und Gott mein Vater? Meine Zunge gefror, während ich unter den verlassenen Fichten im Tal suchte, als ob ich es wirklich ernst meinen könnte. Doch ich hatte weder mich noch das Licht verloren. Rechtlos, ich wurde nie liebevoll empfangen oder herzlich gefunden, ich war in mir selbst gefangen, in der Erbsünde. Weder unter den schwarzen Schatten, noch unter den Sensen in der Gerätekammer, wo sie mich als Strafe für Stunden einsperrten, nirgends fand sich mir ein warmer Blick der Zuwendung. Mir war klar, das Sehen mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen war schlichtweg unerwünscht und strikt verboten. Ein moderner Sklave, ein Sklavenkind. Von Beginn an wollte ich flüchten, weit weg. Es blieb beim hilflosen Wunsch, bei Ohnmacht und Wut, einem nie endenden, schrillen Fluch, der sich ins fremdelnde Meer stürzte, versammelt, zu all den verlassenen, untergegangenen Wellen. Niemand hatte mich geliebt oder war dazu geneigt. Ich wusste auch nicht wer die Liebe erfunden hätte. Mir war es ein Rätsel, warum es bei allen anderen Mitmenschen anscheinend so reibungslos funktionierte. Ein dunkles Stück Leben im Schattenblick der Sonne. Es türmte sich Schmerz, höher und höher die Klagemauer, die Lieder verschroben ins Innere gedrängt, noch sprachloser die vergilbten Sterne am Himmel gaffend, der Wind blies nach Lust und Laune ins Strohfeuer, von allen Seiten, es gab kein Entrinnen. Ich kannte genau die Lichtquellen, den Übergang des Schattens von dunkel zu hell.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Mein abschliessbares Tagebuch lag eines Morgens gewaltsam geöffnet auf dem Tisch, meine Geheimnisse weinten entweiht über das verhasste Tischtuch, mir stockte der Atem über soviel Wahn. Sie nannten sich Vater und Mutter. Von da an schrieb ich nie wieder..




© Marcel Strömer
[Magdeburg, den 06.05.2019]


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Generation

Es schreit, es quengelt und es brüllt,
weil ihm ein Wunsch blieb unerfüllt,
es spuckt, es beißt, es kneift und kratzt,
bis einem der Geduldsfa'n platzt....

Man was waren das für Zeiten,
als man sich konnt vorbereiten,
auf diesen Tag, an dem man dann,
glückliche Eltern werden kann.

Man saß in seinem Kämmerlein,
mit einem Menschen klitzeklein
und plante da schon ganz subtil,
die Puppen und das Fußballspiel.

Das Menschenkind nur schlief und trank
und täglich etwas schlimmer stank.
Nach Milch kommt Brei, die erste Wurst
und Limo süß gegen den Durst.

Dann zwischendurch plötzlich geschah,
weil man es gar nicht kommen sah,
das Menschenkind entwickelt sich,
wie grauenvoll und fürchterlich,
weil dann die schöne Planerei,
nichts weiter war als Träumerei.

Jetzt werden Regeln aufgestellt,
an die sich scheinbar niemand hält
und so, das ist mir sonnenklar,
kommt auf den Kopf das graue Haar.

Der Kindergarten geht vorbei,
nicht ohne tägliches Geschrei,
das neue Kleid ist eingesaut,
man sah, heut gab es Sauerkraut.

Und Dreck in jeder Pore klebt,
was schön, weil so die Kindheit lebt,
doch an die Grenze kommt mit Qual,
die Waschmaschine jedesmal.

Dann wird die Schultüte geschnürt,
der größte Bär als Preis gekürt,
so, dass das Kind unter der Last,
die Schule schon am Anfang hasst.

Das Schlimmste daran jedoch ist,
dass man als Mann verdrängt, vergißt,
es kommt und dann ist's meist zu spät,
mit Sicherheit die Pubertät.

Ab da ist jedes Elternteil,
von Logik glatt das Gegenteil
und peinlich, nervig sind sie auch,
Sie nur zum Geld geben man brauch.

Auf's Leben vorbereitet hat,
die Popmusik den Nimmersatt,
den Wissensdurst und Hunger plagt,
kein Zweifel an der Zukunft nagt,
dass alle Tore dieser Welt,
für ihn persönlich offen hält,
immer nach vorn ìst nie zu spät,
mit Selbstvertrauen übersät.

So plant der Mensch, herangereift,
sein Leben nach dem er jetzt greift,
zum Schutz und für die größte Not,
bleiben wir stehts sein Rettungsboot.

Dann irgendwann, kommt an das Kind
und sagt, dass sie bald Eltern sind
und bla bla irgendwas von Glück,
dann lehn ich lächelnd mich zurück.
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"Kinder machen nicht das, was wir sagen".

„Kinder machen nicht das, was wir sagen, sondern das, was wir tun.“
Zum Tode von Jesper Juul
(25.07. 2019)

Kinder ahmen unser Handeln nach,
Sie verhalten sich wie Lifekopisten.
Erst viel später rückt die Einsicht nach,
Doch bevorzugt sind wir immer Egoisten.

Juul sieht stets das „Kompetente Kind“,
Das selbst weiß, was es ja kann und will,
Wie's ihm geht, wo seine Eltern sind,
Bestimmend mit dem eigenen Steuerziel.

Antiautoritäres, das war nicht sein Stil,
Den Paradigmenwechsel wollt' er haben
Und die Eltern, die mit viel Gefühl
Ihre Kinder nach den eigenen Zielen fragen.

Doch reicht dann die „Leitwölfin“ noch aus,
Wenn die Kinder alles steuern wollen?
Kann denn Grenzen setzen noch zuhaus,
Wenn die Kinderchen sich alle Herrschaft holen?

Ist es nicht bloß Energieverschwendung,
Wenn im Elternhaus man ständig diskutiert
Und Verhärtung stattfindet, ohne die Umwendung,
Mit der man vernünftig Gutes Leben führt?

Ja, der Elternflüsterer meint's gut,
Er kennt auch Erziehungswidersprüche.
Gerade deshalb macht' er vielen Eltern Mut,
Damit die Familien geh'n nicht in Brüche.

Wenn die Eltern immer handeln würden,
Wie es Menschlichkeit ja schon verlangt,
Gäbe es nicht jene hohen Hürden,
Mit denen das Recht nur Pflicht belangt.

Natürlich gibt es jene Handlungsmuster,
Mit denen die Eltern auch verführen,
So dass Kinderseelen werden duster,
Wo sie Unmenschliches verspüren.

Doch die Kinderwelt, sie braucht kein Leid,
Kinderleid ist immer ein Verbrechen.
Deshalb, Eltern, bleibt mir ja bereit,
Um mit Kindern über deren Not zu sprechen!

Und so manches Kind lernt Ignoranz,
Schlimme Eifersüchtelei im Elternhaus,
Manchmal Intrige, Neid, Intoleranz,
Reist zur Inhumanität oft gerne aus.

Erziehung bleibt deshalb ein Weltereignis,
In dem sich die vielen Bilder brechen,
Wo nicht jedes Handeln wird zum Gleichnis,
Wenn sich dort Komplexe rächen.

„Die Starken für die Schwachen!“
Doch sind die Starken auch die Guten,
Die schwache Kinder nicht verlachen,
Damit denen die Seelen bluten?

Manche Ehe ist daran zerbrochen,
Dass zu unterschiedlich die Konzepte
Und die Kinder nur Schwächen gerochen,
Wenn Herrsucht gegen Freiheitskonzepte.

Und der Freiraum schafft ja nicht
Ganz automatisch Freiheitsräume,
Wenn das Machtgelüst' einbricht
Und zerstört die Lebensträume.


©Hans Hartmut Karg
2019

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