Gedichte über Guten Morgen - Seite 54

Dereinst beim ersten Hahnenschrei
war die lange Nacht vorbei.
Doch wer hat noch einen Hahn,
auf den nicht nur die Hennen sah‘ n?
Den Hahn und auch den Trecker
ersetzten das Auto und der Wecker.
Als ich ihn mal zu laut befand,
flog mein Wecker an die Wand.
Seitdem macht er nur noch „Bimm!“,
doch das finde ich nicht schlimm.
Man kann den Frühling sehen und hoffen,
drum lass ich nachts das Fenster offen.
Am Morgen von den Tannenspitzen
hör ich die Amseln, die dort sitzen.
Die eine möchte den Schnabel wetzen,
die andere von der Nachbarin petzen.
Da ruft es laut: „Ihr Freund ist da!“
Und schallt zurück: „Das seh ich ja!“
Ich muss nicht lange mit mir ringen,
um fröhlich aus dem Bett zu springen.
Ich pfeife laut: „Die Post ist da!“
Da tönts zurück: „Das sag ich ja!“

26.04.2016 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Um nach dem heutigen Wetter zu sehen,
muss ich nicht aus der Haustür gehen.
Am Fenster, wo der Wind nicht weht,
das kleine Wetterhäuschen steht.
Zwei Türen hat nach vorn das Haus,
dort treten Mann oder Frau heraus.

Erscheint die Frau mit Hut und Kleid,
sagt die Sonne uns Bescheid.
Schreitet jedoch mit Schirm der Mann,
fängt das feuchte Wetter an.
Das ganze System, ganz sonderbar,
hängt nur an einem Pferdehaar.

Dehnt feuchte Luft das Haar,
spannt Trockenheit es wunderbar.
Bei Regen heißt es „Kachelmann, dreh dich so,
zeig den Frauen deinen Po.“
An Sonnentagen muss sich Miss Imhof drehen
und lässt ihr kurzes Kleidchen wehen.

18.01.2019 © Wolf-Rüdiger Guthmann