Gedichte über Gemeines - Seite 167

Die Rentnerin von nebenan
ist Witwe und lebt ohne Mann.
Die Augen voll Tränen, -
man muss es erwähnen,

sie hat einen Sittich besessen
als einziges lebendes Wesen.
Sie hat ihn besonders geliebt,
seit's keine Verwandten mehr gibt.

Sie läutet, vor Kummer ganz klein,
die Nachbarin lässt sie nicht rein.
Die ist so gepflegt und so fein,
da wird wohl der Freund bei ihr sein.

"Frau Nachbarin, glaubt mir,
ihr Kater, das Raubtier,
der hat meinen Sittich gefressen,
ich werde ihn niemals vergessen."

Die Nachbarin, herzlos und roh,
die sprach, nebenher nur: "Soso,
gut, dass sie mirs sagen,
sie brauchen nicht klagen:

Sein Abendmahl kann er vergessen,
der kriegt heute nichts mehr zu fressen!
Das sage ich nicht nur zum Schein,
auf Ehre, denn Strafe muss sein."

Das wars dann! Ja freilich,
sie hatte es eilig. -
Man mache sich drauf seinen Reim:
Um zwölf kommt der Ehemann heim.

Ein Gutsherr lebt' in Niedersachsen,
war jung und reich und gut gewachsen,
ein Bild von Mann, perfekt und heil,
- mal abgesehen vom Detail -,
hat eine Frau aus Köln am Rhein,
man kann - wie's scheint - zufrieden sein!

Sein Weib war hübsch und lieb und nett, -
Probleme gab es nur im Bett!
Das heißt, die Frau war unzufrieden,
obwohl er tüchtig war und klug.
Fast hätt' sie sich von ihm geschieden:
Ihr war da was nicht groß genug!

Das Unglück wär ja nicht passiert,
doch wird's den Mädchen beigebracht,
statt, dass man's gründlich ausprobiert, -
nein, niemals vor der Hochzeitsnacht!

Heut fuhr der Gutsherr in die Stadt,
so eine Fahrt ist nie verkehrt,
wenn man was zu besorgen hat.
Der Knecht spannt ein, es reicht ein Pferd.

Er fährt durch einen schönen Wald,
die Sonne scheint, es ist nicht kalt.
Jetzt sah er eine Kröte grad,
die in der Sonne lag und schlief,
vor seinem linken Vorderrad,
und beinah ging die Sache schief!

Er stoppt das Pferd! Im Augenblick
erschrickt die Kröte durch den Krach,
er hält den Wagen noch zurück,
die Kröte war sofort hellwach.
Sie sprach zu ihm - ein wenig bleich:
"Das hast du wunderbar geschafft!"

Sie fügt hinzu, ganz sanft und weich:
"Zum Dank benutze meine Kraft!
Ich hab das Zeug zur Zauberei,
und, wenn dir etwas fehlen sollt',
nenn einen Wunsch, er steht dir frei -
sei es auch Fleich und Blut und Gold!"

Er sprach: "Das kommt mir grade recht! -
Nie mehr soll sich mein Weib beklagen!
Ich wünsch mir nichts, als ein Geschlecht,
wie dieses Pferd vor meinem Wagen!"

Die Kröte drauf: "Das ist nicht schlimm,
dein Wunsch erfüllt sich jetzt sogleich.
Sie sprach noch kurz "Simsalabim",
verschwand und sprang in einen Teich.

Für ihn wurd's grade einmal Zeit,
am Wegrand Wasser abzulassen, -
'ne zwingende Gelegenheit,
sein neues Prachtstück zu erfassen.

Der Mann griff in den Hosenschlitz,
- jetzt kommt es anders, als du denkst -
Ihn traf Entsetzen, wie ein Blitz:
Er fand nichts mehr! Er war entmannt! -
Der Knecht, der hatte statt dem Hengst
heut früh die Stute eingespannt!!!

Hans, dein Verhalten, das ist schlecht,
du gibst ja jedem immer Recht.

Wenn einer sagt: "Das Boot ist blau."
sagst du: "Natürlich, ganz genau!"
Ein andrer meint: "Das Boot ist rot."
Du: "Freilich rot, das ganze Boot!"
Der Dritte sagt: "Das Boot ist braun."
Du: "Klar, man muss nur richtig schaun!"

"Du kannst doch nicht," sag ich ihm eben,
"nur um hier jedem Recht zu geben,
wie es soeben ist geschehn,
gleich dreimal etwas andres sehn!"

Wisst ihr, was seine Antwort war?
"Da hast du Recht, das ist ganz klar!"
Solch' Leute reden dumm und leer,
er macht so weiter, wie bisher.
Kaum glaubt man, dass es sowas gibt:
Er ist bei vielen sehr beliebt.

Man möchte sich am liebsten rächen,
wenn andre Menschen widersprechen,
doch solche üblen Außenseiter,
die gibt es eben auch noch. - Leider!

Doch lassen wir jetzt die Verhassten, -
zurück zu unserm Angepassten:

Jetzt, als der Tod kam vor paar Wochen,
da hat er plötzlich widersprochen.
Er sagt zu ihm, total verwirrt:
"Du hast dich in der Tür geirrt,
du meintest sicher Nachbar Schmidt, -
geh schnell zu ihm und nimm ihn mit!"

Der Tod verwahrte sich dagegen,
er ist uns allen überlegen.
"Es nützt nichts, wenn ihr widersprecht.
Ich bin der Tod, und ich hab Recht!"