Strafe muss sein

Ein Gedicht von Heinz Säring
Die Rentnerin von nebenan
ist Witwe und lebt ohne Mann.
Die Augen voll Tränen, -
man muss es erwähnen,

sie hat einen Sittich besessen
als einziges lebendes Wesen.
Sie hat ihn besonders geliebt,
seit's keine Verwandten mehr gibt.

Sie läutet, vor Kummer ganz klein,
die Nachbarin lässt sie nicht rein.
Die ist so gepflegt und so fein,
da wird wohl der Freund bei ihr sein.

"Frau Nachbarin, glaubt mir,
ihr Kater, das Raubtier,
der hat meinen Sittich gefressen,
ich werde ihn niemals vergessen."

Die Nachbarin, herzlos und roh,
die sprach, nebenher nur: "Soso,
gut, dass sie mirs sagen,
sie brauchen nicht klagen:

Sein Abendmahl kann er vergessen,
der kriegt heute nichts mehr zu fressen!
Das sage ich nicht nur zum Schein,
auf Ehre, denn Strafe muss sein."

Das wars dann! Ja freilich,
sie hatte es eilig. -
Man mache sich drauf seinen Reim:
Um zwölf kommt der Ehemann heim.

Informationen zum Gedicht: Strafe muss sein

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20.09.2011
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