Gedichte über das Alter - Seite 28

Ab jetzt muss ich mir selbst genügen.
Es fehlt ein Ober, der mich sticht.
Ich muss mich meinen Regeln fügen
und meiner auferlegten Pflicht.

Ich bin mein eigner Auftraggeber.
Nichts andres zieht mich in den Bann.
Und rennt die Laus auf meiner Leber,
dann bin ich selber schuld daran.

Kein Mensch kann mich das Fürchten lehren,
denn ich bin nun mein eigner Chef.
Ich muss mich bei mir selbst beschweren.
'An mich', so lautet der Betreff.

Ich bin nicht mehr Befehlsempfänger,
kein fremder Ton macht die Musik.
Doch ich bin zu mir weitaus strenger
als die berechtigte Kritik.

Ein neuer Maßstab wird mich leiten
nach einer kurzen Galgenfrist.
Es liegt an mir, nun zu entscheiden,
was mir im Leben wichtig ist.

Zufrieden auf die Höhen und Tiefen
des Lebens zurücklächeln
und die Gedanken spielen lassen
auch über Raum und Zeit hinaus.
Das welkende Herbstgold genießen,
lauschend den leisen Stimmen
hinter dem Taglärm.
Nichts mehr erreichen müssen,
die andern anders sein lassen
und das fremde Blühen und Wachsen
neidlos bewundern.
Versonnen dem Vollmond lauschen
und von alter Liebe träumen.
Dem Nebel des Vergessens
lächelnd die Stirne bieten
und sich streicheln lassen
von Sonne und Wind.
Dankbar zurückblickend
jetzt die reifen Früchte ernten
und gelassen den Winter erwarten.
Sich viel Zeit gönnen,
und jede Stunde dankbar genießen.
Hans Gagsteiger