Alterswahn
Ein Leben lang geschwisterlich verbunden
Kommt nun die Zeit freien Sinnierens.
Beruflich, familiär ist man nicht mehr gebunden
Und wird so Opfer des Erinnerns und Aufspürens.
Zurück wandern nun quälend die Gedanken
Zur Kindheit, als man leidlich frank und frei
Dem Leben vieles konnt' damals verdanken,
Weil ganz und gar man ja Familie sei.
Doch im Sinnieren fragt man auch danach,
Wer weniger, wer mehr gemocht,
Mit wem verbunden Streit und Krach
Und wer bis heute auf den Status pocht,
Im Elternhaus am meisten wohl geliebt,
Das Höchste so erreicht auf Erden
Und wen man längst beiseite schiebt,
Weil mit ihm nur ständig Beschwerden.
Jetzt kommen manche Spinnereien
Im Sessel auf, wenn man gekränkt sinniert,
Kann sich von diesem Wahn nicht mehr befreien,
Weil man nur noch Benachteiligung verspürt.
Also beißt man Lebenskontakte weg,
Die man bisher mit den Geschwistern teilte.
Sie scheinen einem nur als Leidbeleg,
Den auch das späte Alter nicht mehr heilte.
Man lebt da wahnbeladen in den Tag hinein
Und leckt sich scheinbar unheilbare Wunden,
Will keinen Trost und auch nicht unterlegen sein
Und zieht beleidigt seine letzten Runden.
©Hans Hartmut Karg
2019
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