Das Maulwurfmärchen

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Es war einmal vor vielen Jahren,
da lebte ein Maulwurf, der sehr erfahren.
Eines Tages spürte er, über sich liegend,
den Bengel, den Gewehrabzug biegend.
Es gab einen starken Knall
und sein Weib war ein Todesfall.
Drei Tage hielt er Totenwache,
doch dann schwor er bittere Rache.
Auf dem Friedhof, für alle ein Graus,
baute er später Haus für Haus.
Hügel an Hügel konnte man sehen,
als würde eine unterirdische Stadt entstehen.
Doch es war etwas ganz anderes geplant,
etwas, bei dem mir Unheil schwant.

Der Maulwurf, der jetzt Untermieter der Pietät,
lebte zwischenzeitlich auf dem Rasen der Universität.
Ausgerechnet vor Hörsaal C,
das war ganz abseits, jwd.
Jeden Tag, wenn ihn keiner störte,
er die Vorlesung in Sprengtechnik hörte.
Was da klang zum Fenster hinaus,
probierte er am Wochenende aus.
Damit sein tolles Werk gelänge,
führten bis zur Gartenanlage seine Gänge.

Kleingärtner ziemlich viel probieren
und dabei auch Chemie verschmieren.
Kunstdünger enthält Schwefel und Salpeter,
geeignet für krachende Übeltäter.
Dieses Material in kleinen Prisen,
sammelte der Maulwurf dort auf den Wiesen.
Er stopfte es in seine Backen,
um es im Bau dann auszupacken.
In Blumentöpfen, die einst vergraben,
vermengte er die chemischen Gaben.

Doch was er da ergötzlich gemischt,
hat in der Sommerhitze plötzlich gezischt.
Die Feuerwehr kam angesaust
und hat die Fläche stark bebraust.
Viele Hektoliter in Minuten
ließen sich unseren Maulwurf sputen.
Um in der Erde nicht zu ersaufen,
musste er über den Rasen laufen.
Ein behandschuhter Feuerwehrmann
sah und fing ihn dann.

Als ihn endlich jeder begafft,
hat er ihn auf den Friedhof geschafft.
„Machs gut, ich sage es dir ehrlich,
für dich war es dort zu gefährlich.“
Für unseren kleinen Buddelflink
war es nun ein leichtes Ding,
was er dort konnte studieren,
erneut hier auszuprobieren.
Wenn es einen Engpass gab,
buddelte er auf einem Grab.

Die Kannengiesser waren sehr interessiert
und haben schimpfend vieles ausprobiert.
Die Gänge wurden mit Haaren verstopft
und Kohlenanzünder in die Erde geklopft.
Selbst Rauchgaspatronen gab es nun später,
und die enthielten viel Schwefel, wenig Salpeter.
Der Buddelflink hat nur aus den Sträuchern gelinst
und sich in Wahrheit eins gegrinst.

Als sich ein Waschbär aufgedrängt,
hat er ihn kurzerhand gesprengt.
Und das in einem frischen Grab,
worauf es viele Gerüchte gab.
Fast hätte man exhuminiert,
die Explosion rekonstruiert.
Der Sprengstoff hat gut funktioniert,
den Waschbär samt Grabstein ausradiert.

Bevor der Maulwurf endlich Rache nahm,
des Weges ein Maulwurfweibchen kam.
Sie hat den schönsten Po besessen
und seine Rache war sogleich vergessen.
Sie bauten sich das größte Haus,
dort schauten bald auch Kinder raus.
Sollte seine Frau gewaltsam sterben,
würde er sein Wissen weiter vererben.
Doch da jeder Mensch seine Ruhe find,
sie alle noch am Leben sind.


2005 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Das Maulwurfmärchen

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28.09.2012
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