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Gedichte Über Ziele - Seite 6


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Auffallen um jeden Preis

…. Fast jeder, der auf Erden lebt,
ist in der Regel auch bestrebt,
dass man sein Dasein und Talent
zur Kenntnis nimmt und anerkennt.
Er wünscht sich von der Allgemeinheit
ein Mindestmaß an Streicheleinheit.
Falls er nicht kriegt, was er begehrt,
scheint nichts ihm mehr begehrenswert.
Er welkt, verkümmert und geht ein
wie Primeln ohne Sonnenschein,
denn einerseits und überhaupt
fühlt er sich nutzlos und verstaubt,
und andrerseits wird er vor Schreck
zu dick aufgrund von Kummerspeck.
…. So sucht er mit gewagten Ränken
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Selbst Opfer nimmt er gern in Kauf,
Hauptsache, er fällt dadurch auf:
Der Säugling brüllt aus vollem Hals,
Senioren tun es ebenfalls.
Das junge Mädchen trägt ac hoc
den superkurzen Minirock.
Der Jüngling wirkt als Troubadour
durch Popmusik und Punkfrisur.
Die Mutter streicht sich eine Schicht
von Creme und Farbe ins Gesicht.
Der Vater gönnt sich etwas Neu´s,
die Luxuskutsche von Rolls Royce.
,,,, Es wechselt ständig die Methode:
Bald ist´s der letzte Schrei der Mode,
der allerletzte selbstverständlich,
sonst wirkt´s ja primitiv und ländlich.
Falls dies kein Resultat verspricht,
spuckt er der Mode ins Gesicht
und tut etwas besonders Dummes,
Extravagantes oder Krummes.
Dann kommt sogar die Zahl der Morde
ins Guiness-Handbuch der Rekorde,
was seinerseits den abgebrühten
Halunken reizt zum Überbieten.
…. Auffallen lautet die Devise.
Wenn nämlich Nachbars Hans und Liese
neugierig auf die Zunge beißen
und anschließend ihr Maul zerreißen,
erheitert sich sein Mienenspiel
infolge von Triumphgefühl.
Sobald gar Fernsehjournalisten
sich fast im Schlüsselloch einnisten
und sechsstellige Summen zahlen
für die Verwertung von Skandalen,
dann ist´s geschafft, dann ist er in,
dazu bringt´s klingenden Gewinn.
Er wird des Lebens wieder froh.
Auffallen lohnt, so oder so.
Nichts, scheint es, ist verrückt genug
bei dieser Art Gespensterspuk.
…. So schafft durch Imponiergehabe
der Mensch sich selber Lust und Labe
und trägt durch Wichtigtuerei
zum Publikumsvergnügen bei,
das all die Faxen zwar bekrittelt
und sie moralisch niederknüttelt,
doch, wenn es Einzelheiten liest,
dieselben wonnevoll genießt
und stets nach Neuigkeiten lechzt,
obgleich es vor Empörung ächzt.
…. Wo bleibt bei allem die Moral?
Der Dichter merkt zu seiner Qual,
er kann, vielleicht aus Altersgründen,
die tiefere Moral nicht finden.
Moral, so jedenfalls wird klar,
ist auch nicht mehr, was sie einst war.
Silesio
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