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Gedichte über die Zeit - Seite 4


Hausbesuch (Teamwork)

Wir wollten nur spazieren gehen,
raus, aus unserer beengten Welt.
Nun steht es da im Frühlingswehen,
wie für uns beide hingestellt...

Man ist ja nett und fragt erstmal:
> Was soll die Klitsche kosten? <
Da nennt der Geier eine Zahl,
daß uns fast die Ohren rosten.

Der Kerl muß weg, beschließen wir
und sperr'n ihn ein im Keller.
Dann: Großputz, in dem Saustall, hier.
Gemütlich wird es bald - und heller.

Der Mann im Keller meldet sich
so etwa jede halbe Stunde.
Den Preis verhandeln will er nicht
und hat doch schließlich frohe Kunde.

> Drei Wochen Ferien hier, im Haus.
Für nix. Und jedes Jahr! <
Brüllt er vom dunklen Keller aus
und rauft sich wohl den Rest vom Haar.

> Vier!, < ruf ich lauthals, ziemlich frech.
Vier sollten es schon sein.
Wenn nicht, dann hast du eben Pech -
bleibst, was du bist: ein armes Schwein.
Schlürfst deine Suppe aus dem Blech
und bleibst dein Leben lang allein. <

Kein Mucks von unten. Alles still.
Ist denn der Vogel ausgeflogen?
Die Klingel an der Tür tönt schrill -
Scheinwerferlicht erstrahlt im Bogen.

Polente strömt zu uns ins Zimmer;
der Kellermann – dahinter – lacht.
Uns schwindet jeder Hoffnungsschimmer
und angesagt ist: Schicht im Schacht!

Die grüne Minna fährt uns weiter.
Wir sitzen dicht an dicht mit Schellen.
Nur unser Fahrer strahlt, lacht heiter -
erzählt vom Knast und seinen Zellen.

*

Vom Frauentrakt aus winkst du mir
zur Nacht, von gegenüber.
Ich denk' noch: träumen klappt auch hier
und husche zu dir rüber.


(c) Ingrid Bezold & Ralph Bruse
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Die Zeit

---- Der Mensch erfährt ja von Natur
Zeiträume anders als die Uhr,
die, wenn sie leise tickt und tackt,
die Zeit in gleiche Stücke hackt
und objektiv-mechanisch misst,
egal, ob´s schön, ob´s traurig ist.
Der Mensch misst individuell:
Ist´s schön, verrinnt die Zeit zu schnell.
Verliert das Leben Lust und Sinn,
dann zieht sie sich unendlich hin.
---- Auch wird der Mensch im Lauf von Jahren
wahrscheinlich folgendes erfahren:
Am Anfang scheint er durch die Zeiten
im Schneckentempo hinzugleiten.
Allmählich kriegt die Zeit Propeller,
von Jahr zu Jahr verfliegt sie schneller.
Darauf beginnt sie wegzustieben
wie von Raketen angetrieben.
Zuletzt verkrümelt sich die Zeit,
so scheint´s, mit Lichtgeschwindigkeit.
---- Zwar zeigt sich auf der Lebensreise,
er wird normalerweise weise.
Doch merkt er auch, sobald er klug,
er ist nie wirklich klug genug.
Er hängt noch stets an vielen Dingen,
die längst verschwanden und vergingen,
beansprucht, was er nicht besitzt,
und klagt, obwohl es ihm nichts nützt.
Er sagt: „Ich hätte“ und: „Ich wäre“,
zieht selbst doch selten eine Lehre,
hält´s aber für der Mühe wert,
dass er die anderen belehrt.
---- Das Leben strotzt von wunderlichen,
unausrottbaren Widersprüchen.
Ich wünsche dir in solchen Lagen
Geduld und Kraft, sie zu ertragen.
Bedenke, wenn du andern grollst,
auch Du bist nicht so, wie Du sollst.
Genieße das Geschenk der Zeit
mit Umsicht und Gelassenheit
und lass Dich nicht zu Boden boxen
von all den vielen Paradoxen,
die Dich von außen überfallen
und sich in dir zusammenballen.
---- Und die Moral von der Geschicht´
weiß auch der Weise leider nicht.
Aber vielleicht kennst du, einer der neunmalklugen Leser, eine Antwort!
PS Der nur einmalkluge Dichter weist darauf hin, dass am Sonntag die Uhren umgestellt werden.

Silesio
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