Gedichte Über Wasser - Seite 11

Man wird das Wasser
nicht mehr dort schöpfen
wo es steht,
sondern dort,
wo es fließt

nicht mehr dort,
wo es so vieles mit sich führt,
sondern dort,
wo es sauber ist

nicht mehr dort,
wo es lauwarm ist,
sondern dort,
wo es erfrischt

nicht mehr nur dort,
wo viele sind,
sondern auch dort,
wo noch keiner war

Ein Mann, der irrte durch die Wüste,
war dem Verdursten schon sehr nah
Ein Geist erschien, bereit zu helfen
Der Wanderer, der sagte 'ja'

'So folge mir!', sprach jener Khidr,
sie gingen ein Stück Weg entlang
Da schrie er plötzlich: 'Wasser, Wasser!'
Es überfiel ihn wie ein Zwang

'Wenn du es willst, dann geh dorthin',
so sprach der Geist in Ruh' zu ihm
Der ging und stürzte in sein Bild
Der Engel konnte nur entflieh'n

Anm.: Nach einer Geschichte von Khidr, die im Osten oft erzählt wird. Er ist im Islam jenes Wesen, das Wanderern in der Dürre erscheint, wenn sie ausweglos und ohne Wasser sind.

Allein die Sterne war‘n geladen,
als Himmel und Erd' das Leben gebaren
Sie hielten Hochzeit im heißen Gewühl
Da formte sich etwas zum Kalkül

Die Wasser haben es alles getragen,
Verbindungen spontan geschlagen
im Brodeln der Kräfte ekstatisch erregt
zu fester Gestalt - und immer bewegt

Es hörte nicht auf mit Mühen und Plagen,
entwickelte sich hoch durch viele Lagen
Der Kinder sind viel, die Kinder sind groß -
und manche beinah' hemmungslos

Ja, könnten wir Menschen bei allen Gaben
tatsächlich es vergessen haben,
wer Mutter, Vater, wer wir sind?
Wir sind doch manchmal ein garstiges Kind!

Bunt schimmernde Fäden benetzen die Zweige,
der glasklare Himmel gespiegelt im Wasser:
So liegt die geheime Natur uns vor Augen,
voll Schönheit und Reine in all ihren Farben.

Zwei kleine rote Stiefelchen laufen,
stampfen durch triefende, wässernde Halme,
beobachte ich vor mei’m Fenster warm sitzend
die dampfende Tasse voll Tee in der Hand.

Genussvoll so ziehe ich durch das Gewässer,
mein Kopf ist noch schmorend in prallester Sonne,
so angenehm kühle, das dümpelnde Grüne,
die ganzjährlich, trunkene Wahrnehmungswonne.