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Gedichte über Veränderung - Seite 2


Vergesslichkeit

…Wer älter wird, merkt, dass er´s wird,
auch an dem Umstand, dass er irrt,
dass er verlegt, vertauscht, vergisst,
mit einem Wort, ein Trottel ist,
obwohl, so schwört er laut und heiß,
er ganz genau weiß, dass er´s weiß.
Die Wahrheit wird zum bloßen Schein:
Er weiß es, doch ihm fällt´s nicht ein.
Er kann sein Großhirn noch so pressen,
wonach er sucht, das ist vergessen.
Gerade wusste er es noch,
jetzt gähnt da ein Gedächtnisloch.
…Wie war noch der bekannte Name,
verdammt noch mal, wie hieß die Dame?
Wo war die oft gemalte Schlacht,
und wer kam dadurch an die Macht?
Wann lag Karl-Heinz im Krankenhaus?
An welchem Tag kam er heraus?
Wie hieß der dicke Mathelehrer
Und wie Elisabeths Verehrer?
Wo hat er, weil er sie nicht trägt,
die Lesebrille hingelegt?
Erkenntnis trifft ihn wie ein Schlag:
Ach, gestern war sein Hochzeitstag!
…Zum Glück passiert der Fall nicht immer,
doch manchmal ist´s erheblich schlimmer,
wenn er den Führerschein vergaß,
als er auf einer Parkbank saß.
Besonders ärgerlich auch dies,
wenn er die Schlüssel hängen ließ,
und nun, wobei die Zeit vergeht,
im Regen vor der Haustür steht.
… Zunächst hat er gequält gestöhnt,
jetzt hat er sich daran gewöhnt.
Schön wär´ es, wenn es nicht so wär´,
doch irgendwie ging´s ja bisher.
Bloß davon ist er wie besessen:
Er darf das Atmen nicht vergessen,
weil, wenn er Atemhol´n vergisst,
Gedächtnis nicht mehr nötig ist.
... Eines von 20 Kapiteln aus meinem Buch "Wer älter wird ..."
Silesio
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