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Gedichte über Schmerz - Seite 242


trauma

armes Fritzchen.
welche freude,
als die leute
dir das kleine häslein brachten.
warst doch selber noch so klein,
konntest ja kaum stehn allein.

ach! sie brachten es zum schlachten.
musstest alles überstehn,
sahst's in todesqual vergehn,
weil sie dachten,
häschens blut
tät dem lahmen ärmchen gut,
banden dann den schlimmen arm
in den hasen, der noch warm.

armes Fritzchen, immer wieder
metzelten dein herz sie nieder.
die mama, die hielt sich fern,
mochte krüppel nicht so gern,
denn ihr englischer humor
zog die stramme garde vor.

nein, "pardon wird nicht gegeben!"
riefst du später dann im leben,
markig schroff, den blick nach vorn
in versprochne goldne zeiten,
ahntest nichts vom haus in Doorn.
Wilhelm nannt' man dich, den zweiten.

und man hat dir nichts vergeben,
denn die nachwelt dünkt sich weiser,
meint, sie darf sich überheben.
Gott vergibt dir, armer kaiser.

*

Historischer Exkurs
Wilhelm II. war der letzte deutsche Kaiser. Bis heute versuchen manche, ihm – zu Unrecht - die Hauptschuld am 1. Weltkrieg zu geben. Er starb 1941 im Exil im holländischen Haus Doorn bei Utrecht. Sein Vater war der spätere Kaiser Friedrich III., der nach nur 99 Tagen Regierungszeit im Dreikaiserjahr 1888 an Kehlkopfkrebs starb. Seine Mutter war Prinzessin Victoria, die älteste Tochter der englischen Queen Victoria.
Als Kind wurde Wilhelm "Fritzchen" genannt. Er hatte durch einen, wahrscheinlich von dem entbindenden Arzt verschuldeten, Geburtsfehler einen gelähmten und verkümmerten linken Arm, den er zeitlebens zu kaschieren versuchte. Für seine Mutter durfte ein Thronfolger keinerlei körperliche Makel haben, und sie lehnte ihren Sohn deswegen ab.
Das Gedicht schildert nur eine der zahllosen grausamen "Therapien", mit denen man den jungen Prinzen quälte.


Copyright © Marmotier 2014
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Schritt nach der Wut

die Welt hat mich
und ich habe die Welt,
habe das Leben – in mir
und die Macht, mich in dieser Welt
und diese Welt um mich herum zu verändern –
mir Gutes zu tun,
alles Gute dieser Welt zu mir zu holen,
ich kann endlos glücklich sein,
oder endlos traurig,
ich habe es in der Hand,
kann alles machen und alles lassen,
ganz, wie ich will,
bin mein eigener Herr und Meister –
Meister des Lebens –
klingt irgendwie gut!
Das Buch „Der Schlüssel zur Selbstbefreiung“
inspiriert mich zu diesen Zeilen.
Ich bin glücklich,
dieses Buch gefunden zu haben,
es lesen zu dürfen.
Manchmal denke ich schon,
das Buch hat mich gefunden!
Und lehrt mich, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Auch wenn es mitunter nicht ganz leicht ist,
diese „neuen Wahrheiten“ anzunehmen.
So schreibt die Autorin zum Beispiel,
das auch traumatische Erfahrungen
wie Inzest oder Vergewaltigung
Ereignisse darstellen, die wir zu uns holen,
um daraus zu lernen,
um dadurch zu erfahren,
was wir auf dem Weg zu einem
glücklicheren, erfüllteren Leben brauchen,
um uns selbst heilen zu können.
Klingt erst mal merkwürdig,
ja, fast schon paradox.
Dabei plädiert die Frauenbewegung seit Jahrzehnten
für eine 100%-Schuld der Täter
und ich komme trotzdem kaum hinterher,
mal einigermaßen wütend
auf meinen Vater zu sein.
Aber geht es überhaupt um Schuld?
Oder geht es nicht viel mehr um Verantwortung?
Oder vielleicht um noch etwas ganz anderes?
Und jetzt lese ich, dass ich mir diese Erfahrung
für meinen Lebensweg unbewusst ausgesucht habe,
um daran wachsen zu können…
Wo mich diese Erfahrung selbst doch schon
so klein und kaputt gemacht hat!
Klingt irgendwie ziemlich krass!
Und doch spüre ich irgendwo tief in mir,
dass diese Frau Recht hat,
dass da vielleicht sogar mehrere Funken
Wahrheit hinter stecken.
Ist nur manchmal einfach verdammt schwer zu glauben,
dass diese zerstörerischen und vernichtenden Handlungen
meines Vaters einen tieferen Sinn gehabt haben sollen,
fällt mir einfach schwer, wo ich doch heute oft noch
jeden Tag mit meinen Überlebensmustern konfrontiert werde
und zu kämpfen habe.
Außerdem vermittelt mir diese Theorie das Gefühl,
mein Vater sei dafür gar nicht wirklich verantwortlich,
und ich hätte ihn all die Jahre dafür
auch gar nicht verantwortlich machen dürfen.
Doch das ist, glaube ich, ziemlicher Humbug:
Natürlich ist mein Vater für diese Taten
allein und vollumfänglich verantwortlich,
schließlich hat er sie an mir verübt, so, wie es war!
Trotzdem geht es, glaube ich, darum,
nach einem Stadium der Ohnmacht,
der Wut und des Hasses dazu zu kommen,
sich zu fragen, warum ich diese Erfahrungen
als kleiner Junge machen sollte
und was sie mir zeigen sollten.
Ich bin ein Verfechter der Theorie, dass alles im Leben
seinen tieferen Sinn hat, eine Bedeutung hat und Sinn macht.
Nun, diese Erlebnisse haben mich letztendlich
auch reich werden lassen:
Reich an Erfahrungen, an Emotionen,
an zahlreichen wertvollen Begegnungen mit anderen Menschen,
an tieferer Menschenkenntnis und auch Eigenkenntnis.
Sie haben mich zwar zuerst getötet,
aber später habe ich gekämpft
und bin lebendig geworden.
Wenn ich an meine gesammelten Tics denke,
dann bin ich sogar unglaublich lebendig geworden.
Irgendwo spüre ich eine tiefe Wahrheit
in den Sätzen von Christiane Beerlandt,
aber ich merke auch, dass ich noch einige Zeit brauchen werde,
um diese Aussagen ohne Selbstzweifel annehmen zu können.
Zu tief sitzen einfach der Schmerz und die Verletzungen.
So gut mir manchmal die (geträumte) Wut auf meinen Vater tut,
so sehr weiß ich auch, dass es mir nicht viel bringen würde,
ihn totzuschlagen, zumal er schon lange tot ist.
Es hilft ungemein,
meine Gefühle von Ohnmacht und Wut
anzuerkennen und auszuleben.
Danach kann ich dann einen Schritt weiter gehen,
meinen Vater getrost vergessen und schauen,
was an diesen schmerzhaften Erfahrungen für mich
wichtig und bedeutsam war
und vielleicht auch heute noch ist…


ls23032013
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