Lesende mit Papagei (1957)
Von Wilhelm Lachnit(1899-1962)
Lesen bildet, sagt das Dichtergenie,
trotz Sachlichkeit und Melancholie.
Innenleben und zärtliche Einfühlsame,
mit seelischer Bildstellungnahme.
Vor einer orangeflächigen Wand
der Maler Lachnit seine Lesende fand.
Es scheint ein Fräulein zu sein,
Gedichtverse lesend im Kämmerlein.
Mit zartrosa Kragenbluse sitzt sie locker
in schwarzer Hose auf nierenförmigem Hocker.
Verschleiert ist ihr schwarzes Haar,
wie es einstmals üblich war.
Die Nase ist schmal und die Augen gewiegt,
ihre rechte Hand auf dem Knie ihr liegt.
Ein kleines Büchlein im gelben Einband
hält sie zum Lesen in ihrer linken Hand.
Ihre schmalen Lippen sind frisch markiert,
vielleicht liest sie laut was sie dort studiert.
Denn auf einer Sitzstange so nebenbei
horcht auch ein blauflächiger Papagei.
Er kann da viel bejahen oder verneinen
und notfalls auch sogar mit ihr weinen.
Liebe, Lyrik oder Poesie könnte es sein,
vielleicht auch bloß dumme Schweinerein.
31.03.2018 © W.R.Guthmann