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Gedichte über den Menschen - Seite 514


Minderwertigkeitskomplex?

Minderwertigkeitskomplex?

Man kann sich Minderwertigkeit einreden,
Selbst wenn man allgemein schon anerkannt,
Nachwirken doch aus Kindheiten die Fehden,
Denen man immer wieder zugewandt.

Ein Leben lang musste sie streiten,
Konnt' ohne Findbilder nicht sein,
Musste Intrigen, Lügen stets verbreiten,
Fernab von jedem Sonnenschein.

Die Mutter wollt' sie niemals lieben,
Befand sich mit ihr immer nur im Krieg,
Buhlte, um in Vaters Gunst zu liegen,
Errang dadurch auch niemals einen Sieg.

Dennoch konnte sie unterhaltsam sein,
Herrlich durfte man mit ihr fabulieren,
Doch die Fassade war immer nur Schein:
Sie ließ Verachtung manche Freundin spüren.

Dreimal versuchte sie ihr Liebesglück
Und scheiterte dabei jedesmal kläglich,
Denn immer wieder ging der Blick zurück:
Die eigene Kindheit fand sie unerträglich.

Sie brach Familienkontakte später ab,
Die ihr naturwüchsig doch eingeboren,
Verlebte nörglerisch die Güte und ihr Hab,
Musste von echten Freuden so abschwören.

Die Tochter, die ihr leider gleichgesinnt,
Verstärkte in Gesprächen Minderwertigkeit,
Denn wo die Seele nun gar zweifach spinnt,
Bleibt nichts, als Nörgelei und Unfreiheit.

Schade, dass sie nicht reflektieren konnte,
Weil scheinbar ein Stachel in ihr nachbohrte
Und sie deshalb das Dauerleid bewohnte,
Nur noch in ihrem Eigenen verschmorte.

Gar manches Trauma müsste gar nicht sein,
Bliebe breite Kontaktnahme erhalten.
Wer nur in Eigenmächtigkeit allein,
Für den ist offene Welt nicht zu gestalten.


©Hans Hartmut Karg
2019

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Linda

Du hattest damals diese eine Affäre namens Linda.
Linda, aus dem Spanischen „hübsch“ oder auch „lieblich“.
Linda mit den aschblonden Krausehaaren, die sich spielerisch um ihr von der Juli-Sonne leicht gebräuntes rundes Kindergesicht zwirbelten.
Die Haare, die ich ihr so gerne manches Mal bei Gelegenheit hinter ihre zu kleinen Blumenkohl- Ohren gestrichen hätte, die mich mehr denn je entzückten.
Immer dann, wenn sie mich in ihrer ganzen Unschuld, welche ihre Erscheinung wie ein sehr markantes Banner in Form einer Schleife zu zieren schien, fragend anblickte und unser Wohnzimmer mit einem nervös-erschöpften Kichern erfüllte.
Und in den Momenten in denen sie mich mit einer Art beschämten Traurigkeit verständnislos aus den Augenwinkeln musterte, während ich mit zittrigen Händen versuchte mit Hilfe eines überdimensional großen Wasserkruges meine verdorrte Kehle vor dem Austrocknen zu bewahren.
In diesen viel zu ausgedehnten Momenten, da wollte ich Linda immer sagen das alles Gut werden würde.
Das alles und rein gar Nichts jemals auch nur annähernd Gut war und es höchstwahrscheinlich auch niemals sein werde, dies aber auch nichts zur Sache tat.
Ich wollte deiner Linda in diesen Augenblicken sagen, dass wenn wir nur dazu im Stande wären, uns in den Tatsachen so angenehm wie nur möglich zu betten, wir uns in ihnen zufrieden zusammenrollen könnten wie deine herrische Maine Coon Katze.
Wie deine furchtlose Maine Coon Katze aus unserem Kopfkissen, welches ich regelmäßig gezwungen war mit Anti Allergikern zu besprühen, da mir sonst jeden Morgen das Ersticken drohen würde. Liebste Linda, wir alle könnten sein wie diese Katze, wir könnten auch dort Frieden finden, wo immer Krieg sein wird.
Und wenn wir nur so wenig wie möglich Nachdenken würden, dann könnten wir auch zwischen Leichenbergen und Trümmerhaufen den bitter Nötigen Schlaf finden, den wir schon so lange voller Verzweiflung suchten.
Linda sollte lernen, dass man die Schüsse der Menschen in einer gewissen Weise vermutlich niemals zur Gänze abwehren konnte, man aber sehr wohl lernen konnte zwischen ihnen unbemerkt Glücklich zu sein.
Linda, ich, du und wir alle da draußen sollten mehr wie deine Katze sein und uns innerhalb des Schlachtfelds, mittendrin in der Hitze des Gefechts ein sicheres Zuhause schaffen.
Eigentlich war es Linda die auf deiner Beerdigung die meisten Tränen vergoss und die Sonne quälend unser Blickfeld eindämmte.
An diesem einen Vormittag, an dem sie dich unter die Erde hievten und für immer verschwinden lassen sollten.
Linda hatte Rotz und Wasser geheult, schniefte voller Verzweiflung und sah mich peinlich berührt an als ich den Impuls nicht unterdrücken konnte und nach ihrer winzigen knubbeligen Hand griff.
Ihre Händchen waren feucht und irgendwie klebrig.
Wäre Linda eine Blume, dann wäre sie ein Veilchen.
Wäre ich eine Blume, wäre ich vermutlich irgendein in sich selbst wucherndes Pflänzchen im Unterholz eines kargen Baumes nahe dem Stadtrand.
Ich glaube allerdings nicht, dass ich eine Blume bin.
Und noch weniger glaube ich daran, dass es besonders wichtig ist eine Blume zu sein.
Ich habe Linda noch niemals gehasst, außer bei deiner Beerdigung als sie unentwegt plärrte
Ich fürchte deine Katze und ich, wir würden unter uns bleiben.
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