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Gedichte über Lebensweisheiten - Seite 231


Weisheitsgeschichten - Die Einsiedlerin und die beiden Brüder

Frau Tina Eipas lebte schon lang

an eines Berges flachem Hang
wo eine kleine Hütte stand
Ihr Hund und sie, die Liebe zur Natur verband

In einem Dorf an des Berges Rand

war Ihre Weisheit wohlbekannt

Ein Jeder, der sich verändern wollt
besuchte sie und erbat

ihren weisen Rat

Sie nahm dafür weder Gut noch Geld

Einer zweier Brüder ist Johannes
Im besten Alter eines Mannes
So machte Johannes sich ans Werk
bestieg als erster den nahen Berg
Als er vor der Hütte Türe stand, klopfte er an
Im Dorfe zurück blieb sein Bruder, der Johann

Als er vom beschwerten Aufstieg noch hächelte
öffnete Tina die Tür und lächelte
„Komm herein, Wanderer, erzähle Deine Geschichte
Für Dich Kaffee, für mich Tee ?“
So trat er ein und bat um ihren Rat

für eine wegweisende, gute Tat

Zur Begrüßung der Hund freudig bellte

Bevor Johannes seine Fragen stellte
unterhielten sie sich, tranken und aßen sich satt

„Tina, wohin soll ich gehen ? 

In ein anderes Dorf oder eine Stadt ?“
„Wähle das Dorf, welches Du im Norden kannst sehen“

"Danke, diese Antwort mir gut gefällt!
Was soll ich mitnehmen auf die Reise ? 

Werkzeug oder Geld ?“
„Wähle Dein Werkzeug, wähle weise“

„Mein Werkzeugkasten ist gut, hat wenig Mängel“

Johannes fragt: „Gibt es Engel
denen ich meine Gedanken weihen kann, auf der Reise ?“
„Ja, sie helfen Dir. Sprich zu ihnen still und leise“

„Ich danke Dir von Herzen! Hast Du etwas dagegen, wenn ich meine Arme um Dich leg ?“
So tat er’s und machte sich fröhlich auf den Weg.

Johann zwei Wochen später, den Weg zu Tina nahm
so klopfte auch er an, als er zu Ihrer Hütte kam

Sie öffnete die Tür und lächelte im hellen Mittagslicht
„Komm herein, Wanderer und erzähl mir Deine Geschicht“
Den Rat seines Vaters fand Johann nicht gut und wollte einen neuen

um seine Zweifel zu zerstreuen

Ihre Unterhaltung wurde von Freundlichkeit getragen
Dann stellte er seine Fragen:
„Tina, wohin soll ich gehen ?

In ein anderes Dorf oder eine Stadt ?“
„Wähle die Stadt, die großen Einfluß im Westen hat
mit Menschen, die Deine Sprache verstehen“

„Tina, was soll ich mitnehmen ? 

Geld, Werkzeug oder beides ?“
„Wähle das Geld jedoch vermeid es
viel auszugeben für unwichtige Themen !“

„Tina, gibt es Engel oder höhere Wesen,
die auf meinem Weg meine Gedanken lesen ?“
„Nein, es gibt sie nicht ! Verlasse Dich auf Deinen Verstand
und das Geld in Deiner Hand !“

Johann sagte: „Danke, ich bin sicher, dass ich mit Deinem Rat nun richtig lieg“
Fröhlich und vollen Mutes begann sein Abstieg

Der Hund bellte
Wie wenn er eine Frage stellte
Er und sein Frauchen schauten Johann hinterher
„Ich vermute was Du fragen willst, jedenfalls so ungefähr
Warum gab ich auf dieselben Fragen unterschiedliche Antworten ?

Nun, sie stehen vor unterschiedlichen Pforten
an Kreuzungen ihres Lebens
Johannes wandert auf dem Pfad, des Erkenntnis suchenden Strebens
Johann auf dem irdischen Pfad, der Erfahrungen dieser Welt
Dank meines Rates, jedem sein Schicksal nun gefällt!“

© jogdragoon

Hinweis: "Tina Eipas" ist ein Wortspiel von "sapientia", was Latein ist und "Weisheit" bedeutet.
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Carpe diem

Nie ist Zeit um aufzuschauen,
immerzu soll man studieren,
bis zum frühen Morgengrauen.
Wohin soll dies uns noch führen?

Wofür hilft uns das Gelerne
als zu bösem Zank und Streit.
Man wär’ bei der Liebsten gerne,
doch die weilt ferne, - meilenweit!

Derweilen läuft das Leben fort,
läßt uns rasch vergangen werden.
Endet allenthalben am selben Ort,
nämlich: Ellentief in dunklen Erden.

So, mein Freund! Geh zu! Erfrage,
wo man lacht und feiern kann.
Ungemach, auch als stete Klage,
stell nur weiter hinten an!

Was soll uns Geiz? Was soll uns Gier?
Was soll uns Edelstein und Gold?
Zechen, Schlemmen geht nur hier –
eh’ uns allzubald der Schnitter holt.

Drum nimm noch schnell von jedem!
Nimm von allem, was das Leben gibt!
Wozu also nach Reichtum streben?
Lebe Leben, damit’s dich widerliebt.

Tanzt zur Musik! Erhebt das Glas!
Singt vergnügt die alten Lieder!
Eßt und trinkt, vergönnt euch was!
Eh man’s merkt, liegt man danieder.


Copyright © da Hihö
2000


Nachtrag

"Carpe diem"
(vom röm. Dichter Horaz, etwa 23 vor Chr.)

Frage nicht (denn eine Antwort ist unmöglich),
welches Ende die Götter mir, welches sie dir, Leukonoe,
zugedacht und versuche dich nicht an babylonischen Berechnungen!
Wie viel besser ist es doch, was immer kommen wird, zu ertragen!
Gleich, ob Jupiter dir noch weitere Winter zugeteilt hat oder ob dieser jetzt,
der gerade das Tyrrhenische Meer an widrige Klippen branden läßt, dein letzter ist,
sei nicht dumm, filtere den Wein und verzichte auf jede weiter reichende Hoffnung!
Noch während wir hier reden, ist uns bereits die mißgünstige Zeit entflohen:
Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!


"Carpe diem"
(Chr. Morgensterns Parodie auf Horaz’ Gedicht)

Laß das Fragen doch sein! Sorg dich doch nicht über den Tag hinaus!
Martha! Geh nicht mehr hin, bitte, zu der dummen Zigeunerin!
Nimm dein Los, wie es fällt!
Lieber Gott, ob dies Jahr das letzte ist, das beisammen uns sieht,
oder ob wir alt wie Methusalem werden: sieh's doch nur ein: das, lieber Schatz,
steht nicht in unsrer Macht.
Amüsier dich, und laß Wein und Konfekt dir schmecken wie bisher!
Seufzen macht mich nervös. Nun aber Schluß!
All das ist Zeitverlust!
Küssen Sie mich, mon amie!
Heute ist heut! Après nous le déluge!
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