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Gedichte über Krieg - Seite 102


Das Buch

Die Politiker angeblich an uns denken
und uns gute Ratschläge schenken.
Die Künstler wilde Sachen treiben
und der Poet kann es bunt beschreiben.
Im Frühjahr lag ich im Krankenhaus,
in dem berühmten Bettenhaus.
Schien die Sonne wärmend schon
durften wir auf den Balkon.

Jeder Kranke dort stumm hockte
wo Empfang des Handys lockte.
Mein Gerät war zwar von den Besten,
doch der Sender war noch am Testen.
Ging es nicht, kam gleich mein Fluch,
ich ging zum Schrank, griff mir ein Buch.
Ein Roman war s aus vergangener Zeit
über Liebe, Kinder, Freud und Leid.

Schwiegermutter war beispielsweise Last,
denn sie kam am Tisch als 13. Gast.
Ein weiterer Stuhl war kein Problem,
auch zusammen gerückt war s noch bequem.
Ärger brachte das Besteck an den Tag,
denn genau ein Dutzend im Schubfach lag.
Ganz geschickt wurde das gedreht,
denn wer nicht saß zum Tischgebet,

durfte sein Schicksal verfluchen
und passende Teile in der Küche suchen.
In dieser Art waren die Geschichten,
die vom Leben einer Familie berichten.
Ich las sie abends den anderen vor
bis die Schwester schloss symbolisch das Tor.
Eines Abends fragte sie mich leise,
ob denn mein Leben nicht war eine Reise.

Ich könnte doch solche Geschichten
sicher aus meinem Leben berichten.
Und nun sitze ich schreibbereit hier
mit Bleistiften und einem Stapel Papier.
Wie und wo fängt man eigentlich an
und vor allem zu welcher Zeit, also wann?
Beschreibe ich in einem kurzen Spurt
das Elternhaus bis zu meiner Geburt?

Doch da war Krieg, nichts angenehmes,
im Luftschutzkeller gab es nur unbequemes.
Sollte ich über die Schule schreiben,
darüber was wir hinterher konnten treiben?
Interessiert jemand die erste Liebe,
Geschichten über Kirschendiebe?
Einst verkörperten wir auch hautnah,
die ehem. Landesverteidigung NVA.

Wir spielten und feierten an manchen Tagen
bei Sportfesten und Saufgelagen.
Manchmal teilten wir ruck-zuck
mit den Russen den Wodka-Schluck.
Unsere Arbeit war nicht geheim oder graulich,
sie war wie alles im Land streng vertraulich.
Wer wollte schon das Wissen kriegen,
wo die Kabel und Freileitungen liegen?

Mit so manchem süßen Kuss
war bei der Liebe noch nicht Schluss.
Nachtbesuche erfolgreich blieben,
zur Ehe und Familie trieben.
Krankheiten und Sonnenbrand
mancher nur schwer überstand.
Die Reha fordert morgens Fango
und zur Erholung abends Tango.

Der Bekanntenkreis wird kleiner,
die restlichen Lebensjahre bis 100 feiner.
Wollt ihr sowas von mir wissen,
schlaft ihr besser auf dem Kissen?
Soll ich dafür mich zerreiben
und die Zettel hier beschreiben?
Wer nun denkt, drauf steht Poesie,
der komme her und nehme sie.

10.12.2019 @ Wolf-Rüdiger Guthmann
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