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Gedichte über Gemeines - Seite 63


Die Erbschaft ...

Ein reicher Mensch liegt krank darnieder
denkt sorgenvoll schon an sein Ende,
Beklagt recht stark, und immer wieder
dass seine Krankheit ohne Wende.

Schon macht er sich, den Tod vor Augen
ans Testament … (s)ein Trauerspiel.
Er muss, jedoch er will´ s nicht glauben
Weil: zu verteilen gibt´s so viel.

Er grübelt Tag- und Nacht recht lang
doch das Papier bleibt völlig leer
sein Reichtum machte ihn jetzt krank
denn niemals gab er etwas her.

Mal hört er hier, mal da Geräusche
denkt, dass man fleddert ihn – welch Hohn.
Das er sich da mal nur nicht täuschte:
sein Erbe war verteilt doch schon.

Verwandtschaft hat vor vielen Tagen
gehofft, ihm ging sein Lichtlein aus
und dass man schnellstens ihn würd´ tragen
die Füß´ voran, ins Leichenhaus.

Mit viel Elan und noch mehr Freud´
wurd´ vor - verteilt gerecht und fair.
Denn eins, dass wussten alle Leut´:
liegt er im Grab braucht er nichts mehr.

Die Verwandtschaft wollte höflich
Im Spittal ihn gern bedauern
oder besser, wenn denn möglich
liebend gerne gleich betrauern.

Das Bett im Zimmer war schon leer
Die Freude größer je als Trauer
Das inn´ re Lächeln wurde mehr:
Nun ist er weg, der alte Bauer.

Gefragt wird, wo er aufgebahrt,
Verwandtschaft will ihn noch mal sehen
Vor der ersehnten Himmelfahrt
möcht´ ihm zur Ehr´, man in sich gehen.

Verwirrt antwortet Dr. Knauff:
„Er sitzt seit Stunden im Cafe...´“
Nun erst kam echte Trauer auf.
Dem Erblasser tat nichts mehr weh.


Und die Moral von dem Gedicht?
Stell Dich nicht früh auf´s Erben ein.
Erblasser sterben manchmal nicht
sie lassen´s oft ganz lange sein.
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