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Gedichte über das Gedicht - Seite 238


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Rotkäppchen

Dein Duft lockt mich auf deine Fährte. Der Wolf in mir, das entfesselte Tier.
Du liebst mich, denn insgeheim weißt du, zähmen lasse ich mich nicht. Noch ein Schritt dann sehe ich dich. Du erwiderst meinen hungrigen Blick. Du ganz in Rot mit großen Augen. Ich eins mit dem Dunkeln, trete langsam aus dem Schatten. Schritt für Schritt weichst du zurück, doch rennst nicht davon, du willst nicht entkommen. Ich weiß. Aus gutem Grund, bist du allein im Wald. Da wo dich dein Begehren lockt.
Mit allen Sinnen, neugierig, erforsch ich dich.
In tiefen Zügen atme ich deine Haut, feine Härchen stellen sich auf. Wie Schnaps im Kopf, berauscht mein Wille, betrinken sich die Sinne. Der Puls geht schneller, der Atem tiefer. Und du entblößt mir deinen Hals im Licht. Lippen und Reißzähne, sanft und weich berühren dich. Die Klaue gräbt sich zwischen die Rippen. Kraft ohne Gewalt. Gefesselt ohne Seil.
Pack dich fester, zwei Herzen spüren sich schlagen. Du näherst dich mit deinen Lippen, doch weicht mein Kopf zurück. Verwirrt sucht mich dein benebelter Blick. Ich lass von dir ab, du willst es nicht, hältst meine Hand, erwartest mich zurück.
So umrunde ich dich eng, und umschling dich von hinten. Wie eine Feder fällst du in mich. Und mit meiner Klaue den Kopf heb ich, dein Gesicht zu meinen Lippen. Der erste Kuss, heißer Atem, Hauch in der Luft.
Du bist so weich, streichelst mir durchs Fell, spürst das feste Fleisch. Ich verharre nicht, erforsche dich, jedes Eck, die prickelnde Haut. Dein Mund bleibt offen, zwischen die Beine rutscht der Griff, wollte es nicht lassen, doch weitersuchen, du greifst meine Hand, bittest wortlos sie dort zu belassen, so pack ich noch ein wenig fester zu…


JC


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