O Jammern, Jammern, meine Lust
Schon seit´s die ersten Menschen gibt,
ist Jammern überaus beliebt.
So jammert Adam ungeniert,
die Eva sei´s, die ihn verführt.
O wenn er bloß geschwiegen hätte!
Er wusste nämlich, jede Wette:
Als starker Mann soll man es wagen,
in Zweifelsfällen nein zu sagen
und nicht nach Laune und Belieben
die Schuld auf andere zu schieben.
Das Jammern, sagen Professoren,
sei sozusagen angeboren.
Denn schon beim allerersten Schrei
beginnt der Mensch die Jammerei.
Ihn schmerzt, dass er den Uterus
so ungestüm verlassen muss,
obwohl es dort so wunderbar
bequem und warm und ruhig war.
Der letzte Seufzer in der Kammer
klingt häu g auch wie ein Gejammer,
weil dieser Mensch trotz aller Bürde
gern, wo er ist, auch bleiben würde
und ihm der Abschied Schmerz bereitet,
wenn er ins Unbekannte gleitet.
Bis hin in unsre Gegenwart
sind viele gradezu vernarrt,
mit Eifer, Nachdruck und Geschrei,
zu jammern, wo und wann es sei.
Wohl nichts, das man nicht irgendwann
beklagen und bejammern kann:
Verkehrlärm, Politik und Preise,
Strapazen einer Urlaubsreise,
den alltäglichen Autostau,
den Pfusch beim Autobahnenbau,
dass Gott, obwohl´s doch sein Beruf,
die Welt so miserabel schuf,
kurz, überall nur Leid und Qual;
wohin man blickt, ein Jammertal.
Auch Psychologen (dies in Klammer)
befassen sich mit dem Gejammer.
Es sei dies, so behaupten jene,
ein Akt der Psychohygiene.
Denn jammert einer vor sich hin
bringt´s eine Art von Lustgewinn:
Er fühlt sich irgendwie befreit
von Last und Druck, von Schmerz und Leid,
obwohl die Welt bleibt, wie sie ist,
dieselbe Not, derselbe Mist.
Deswegen jammre, Mensch, und klage,
das lindert zweifellos die Plage.
Schrei´s in den Wind, klag`s deinem Hund,
beschwere dich beim Völkerbund,
im Friedhofsamt, beim Militär,
bei Putin hinter Kremlmauern,
den heimischen Kartoffelbauern,
der Bundesbank, im Vatikan,
was dir das Schicksal angetan,
beziehungsweise sei noch schlauer,
wallfahre an die Klagemauer;
dort gibt es schon seit Jesu Tagen
Platz und Gelegenheit zu klagen.
Beklag vor Gott dich bitterlich.
Doch wenn es geht, – verschone
Silesio
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