Des Dichters Tod und Wiedergeburt
Ein Gedicht von
Lars Abel
Der Dichter stirbt, er kann nicht mehr
er ekelt sich vor Schrift so sehr
er bricht den stumpfen Stift entzwei
und teilt das Blatt Papier durch drei
Er haut den Schädel auf den Tisch
bis vier zählt er, der Schmerz erlischt
Bei fünf nun starrt er nach der Uhr,
die hängt sechs Jahr´ schon dort im Flur
der siebte Himmel ihm verwehrt,
kein Fräulein seine Kunst begehrt
Der Achte wohl, falls es den gibt,
in dem der Mensch die Dichtkunst liebt
Ja dort weilt er schon lange Zeit,
die Muse gab ihm stets Geleit
Die Kuckucksuhr, die spricht schon "neun"
und wieder muss er es bereu´n,
dass er den Tag am Pult verbringt,
wo nie der Puls des Lebens klingt
Sein Geld ist rot, die Stube kalt
am Körper spürt er´s: Man wird alt,
denn auch die Knochen sträuben sich,
sein Bauchfett die Rekorde bricht
er scheut ja schon den Gang zur Tür,
braucht ja die Wirbelsäul´ hierfür
und die hat sich gewöhnt daran,
an´s Sitzen alle Tage lang,
hat einer Form sich drum bedient,
die keiner Säule ziemt
Die Muse war sein letzter Halt,
nun stirbt ihm selbst die Wortgewalt
"Kein Sinn mehr da im Leben liegt",
spricht er, " wo´s Lebensglück versiegt!"
Bedrückt greift er sein Lebenswerk
zehn Jahre hat er es genährt,
ihm nur die beste Kost vermacht,
so liegt´s vor ihm in seiner Pracht
Geschichten, Lieder und Gedicht,
viel Reichtum brachte es zwar nicht,
doch half es ihm in dunkler Stund´
wenn seine Seele furchtbar wund
Schon kommen Zweifel über ihn,
ob solches Ende würdig ihm
doch wischt er die Gedanken fort
und denkt fortan an Mord
In Tränen rennt er aus dem Haus,
packt seine Streichhölzer noch aus,
schon eine Seit´ in Flammen steht
und auch der Rest in Glut vergeht
Der Dichter schweigt im Feuerschein
da suchen ihn Ideen heim
Die Sehnsucht tobt in seiner Brust,
zeigt sich wie nie so selbstbewusst
Der Dichter stirbt, der Mensch erwacht,
die Trübsal nicht mehr zu ihm passt,
er schreit: "Hurra, nie wieder Zwang,
Gefangener in Reimes Bann!"
Er flüchtet sich ins Wirtshaus fort,
ein nettes Mädchen sucht er dort,
eins das ihn nicht beim Worte nimmt,
weil Worte ihm zuwider sind
So brabbelt er, im Suff er strahlt
hätt´ andernorts schon längst bezahlt
für das, was er da von sich gibt,
die Wahrheit ist es wahrlich nicht
Das Mädel hört belustigt zu,
findet Gefallen und im nu
stimmt sie in sein Geplapper ein,
so frei wie er will sie auch sein
Schon bald ist die Spelunk´ entflammt
für Mumpitz, Frohsinn, allerhand
Der Wirt für umme schenkt nun aus
die Gäste grölen frei heraus,
was ihnen auf dem Herzen liegt,
bis alle Mund ein Lächeln flieht
Alsbald tanzt man auf Tisch und Stuhl
das Wirtshaus sich in Wonne suhlt
Erst mit des Hahnes erstem Schrei
wünscht man des Bettes Wärm´ herbei,
nimmt Abschied, lallt ein „Lebewohl“
Als kläng´ ein Schuss aus der Pistol´,
die Sause sich in Luft auflöst,
der einst´ge Dichter emsig döst
Doch siehe da, wen er dort wiegt,
wer glücklich ihm im Arme liegt:
Es ist das Mädel aus der Kneip´,
sie wählte ihn, obgleich der Neid
der Freier ihnen beiden droht,
den Kopf voll Wut und zornesrot,
sie prallten gruppenweise ab,
dem Schwärmer sie den Vortritt gab,
der ohne Blatt vor´m Munde sprach
und alle Dämme in ihr brach,
weil er so frank und frei heraus
ihr Schmetterlinge in den Bauch
hineingezaubert hat gekonnt,
was sie von Freiern nicht gewohnt
war, bis dieser freche Mann
sie köstlich zog in seinen Bann:
Er feixte, er sei neu gebor´n
und drum hätt´ er sie auserkor´n,
mit ihm zu teil´n den Augenblick,
der Blick nach vorn´ sein nächster Schritt
Sein Lebenswerk hätt´ er verbannt,
sei´ nun bereit für neues Land
Gedanklich seg´le er längst fort,
bereise Küsten wie ein Lord
die Zukunft schill´re ihm fortan,
er spüre Flügel wie ein Schwan,
der kräftig schwingend sich erhebt
wie eine Feder leichthin schwebt
fern jeglicher Bescheidenheit,
die man auf Erden teilt
Der nächste Tag nimmt seinen Lauf,
die Uhrzeit peitscht den Dichter auf
Der Tag schon halb verronnen ist
des Weines Wehe jäh ihn sticht
Das Mädel schnarcht in sanfter Ruh´,
so wendet er dem Pult sich zu
Wovon er schreibt, dies Stück erzählt
und ja, ich habe mich gequält,
der Kater saß im Nacken mir,
ich rang gewiss mit einem Stier
als ich vor diesen Zeilen saß,
ein letztes Mal sie gegenlas...
(C) Lars Abel