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Gedichte über Weisheit - Seite 35


Vertrauensvolle Erziehung (Eine Geschichte)

Ein Elternpaar teilte einer alten Freundin deren Sorgen mit.
„Wir machen uns große Sorgen um unsere Tochter. Die Freunde, mit denen sie sich herumtreibt die gefallen uns gar nicht. Wir befürchten, dass sie in schlechte Gesellschaft gerät, die sie dann negativ beeinflussen könnte.“

„Kann es sein, dass ihr eure Tochter zu sehr eingeengt habt?“ fragte die Freundin.

Die Eltern reagierten empört. Anstatt, wie erwartet, ihnen zuzustimmen oder sie zu bemitleiden für ihr ungehorsames Kind, stellte sie deren Erziehung in Frage. „Unsere Tochter hat alles bekommen was sie brauchte, sie musste sich um nichts kümmern, wir haben alles für sie getan.“

„Vielleicht war es genau das.“ Sagte die Freundin. „Ihr habt für sie Hindernisse aus dem Weg geräumt aber ihr nicht gezeigt, wie sie diese Hindernisse, selbständig überwinden kann, ihr habt Gefahren aufgezeigt aber keine Möglichkeiten, ihr habt sie zurückgehalten und nicht begleitet. So konnte sie kein Selbstwertgefühl entwickeln um selber etwas zu erreichen. Ihr habt alles für sie getan und ihr nicht zugetraut, dass sie selber etwas erreichen kann. Ihr glaubt, dass sie ohne Euch verloren ist.
Natürlich war das nicht böse von euch gemeint, ihr wolltet alles perfekt für sie machen, so dass ihr euer Vertrauen, dass sie wirklich etwas, aus eigener Kraft, erreichen kann verloren habt.

Ich denke, sie fürchtet sich davor eigene Fehler zu machen. Aus Angst euch zu enttäuschen oder zu erzürnen. Wodurch sie möglicherweise auch vor euch verschließen wird und das Vertrauen, in euch, verloren hat, dass ihr für sie da sein werdet, wenn sie einen Fehler gemacht hat oder nicht so funktioniert wie ihr es euch für sie geplant habt.“

„Nein, das ist natürlich nicht so.“ widersprachen die Eltern „Wir haben unsere Tochter zu einer selbständigen und selbstbewussten jungen Frau erzogen. Wir stehen ihr immer mit Rat und Tat zur Seite, wenn sie es wünscht. Aber auch wenn sie sich ausprobieren möchte dann stärken wir ihr den Rücken. Sie kann immer zu uns kommen auch wenn wir nicht einer Meinung sind.“

Aber wenn es tatsächlich so ist“ erwiderte die Freundin „Warum zweifelt ihr so sehr an eurer Erziehung, dass ihr glaubt, ihr habt sie zu einer Person erzogen, die sich von vermeintlich schlechten Menschen beeinflussen lässt? Warum schenkt ihr eurer Tochter kein Vertrauen und glaubt, dass sie nicht stark genug ist um für die Anderen, vielleicht ein positiver Einfluss zu sein?“

Das brachte die Eltern zum Nachdenken. Sie beschlossen mit ihrer Tochter zu reden und ihr zu sagen, dass sie immer für sie da sein werden, egal was passiert. Vielleicht hatten sie von sich und ihrem Verhalten ein anderes Bild als das was ihre Tochter wahrgenommen hat.
Vielleicht war ihre Tochter wirklich stärker und selbstbewusster als sie es ihr zugetraut haben.

© Michael Jörchel
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Die richtigen Schuhe - Eine Geschichte

Die richtigen Schuhe

Eine junge Frau begegnete der Dorfältesten auf dem Markt.
Diese Dorfälteste war nicht nur sehr alt sondern auch sehr weise und verstand sich gut darin die Sorgen der Menschen zu erkennen. So erkannte sie auch, dass die junge Frau mit einigen Problemen zu kämpfen hatte.
„Du siehst bedrückt aus.“ sprach sie sie an. „Magst du mir erzählen, was dir sorgen bereitet?“

Die junge Frau erkannte die Dorfälteste und war froh, dass sie von ihr angesprochen wurde denn sie selber hätte sich das nicht getraut weil sie glaubte, dass ihre Sorgen nicht wichtig genug sind um damit jemand anderen zu behelligen.
„Ach,“ sagte sie traurig „ich weiß nicht ob ich sie mit meinen kleinen Problemen belästigen sollte.“

„Kein Problem ist klein, wenn es traurig macht und das Leben so sehr beeinflusst, dass man nur noch daran denken muss und an nichts anderes mehr.“ Antwortete die alte Frau freundlich.

Die junge Frau fasste sich ein Herz und berichtete von ihren Nöten.
„Ich habe einen jungen Mann kennen gelernt, er sieht gut aus, hat ein gutes Einkommen, er ist sehr nett und aufmerksam dazu macht er mir die schönsten Komplimente.“

„Das sind doch schon einmal gute Eigenschaften.“ Die alte Frau lächelte. „Wo ist jetzt das Problem?“

„Das Problem dabei ist,“ sagte die junge Frau „Dass sein Leben nicht so wie meines ist, dass er Dinge tut und mag, die mir nicht gefallen. Er möchte, dass ich sein Leben mit ihm teile und ihn so akzeptiere wie er ist. Das würde aber bedeuten, dass ich dafür mein Leben und meine Interessen einschränken oder sogar aufgeben muss wenn er bei mir bleiben soll. Ich müsste mich einschränken um ihm zu gefallen, um die Richtige für ihn zu sein.“

„Das ist ja fast so wie mit Schuhen.“ Bemerkte die Alte.

„Mit Schuhen? Wie soll ich das denn verstehen?“ Die junge Frau war etwas verwundert. Wie konnte man ihr Problem mit Schuhen vergleichen?

„Ja, wie mit Schuhen.“ sagte die Alte noch einmal. „Es ist so, als wenn du zauberhafte Schuhe siehst, Die es aber nicht in deiner Größe gibt. Aber weil sie so schön sind kaufst du sie dir trotzdem.
Jetzt hast du zwar Schuhe die nett anzusehen sind und um die dich bestimmt viele beneiden werden aber sie werden dir auf die Dauer Schmerzen bereiten und dich beim Laufen und beim Vorankommen hindern.
Dadurch kannst du dich zukünftig nur auf die Schmerzen konzentrieren, die dir diese Schuhe bereiten, nicht einmal mehr auf deren Schönheit und erst recht nicht mehr auf dich und auf deinen Weg, den du gerne gehen möchtest.“

© Michael Jörchel
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