Der Vogelflüchtling
Es raschelt, als wäre 'ne Maus
Ins Schlafzimmer gedrungen,
Besiedelt nun das schöne Haus –
Gastgeberschaft erzwungen!
Weil neugierig ich immer bin,
Seh' ich bei Zimmerpflanzen
Bewegtes und geh' näher hin,
Wo leicht die Blätter tanzen.
Da seh' ich ihn, ganz klein und still,
Den Vogel in der Ecke kauern.
Mich überkommt ein Freundgefühl,
Wo zitternd er muss lauern.
Als ich dem Kleinen näher bin,
Fliegt er hinein ins Zimmer,
Flattert ganz wild und ohne Sinn,
Denn seine Angst wird schlimmer.
Wenn einer klein, ein anderer groß
Und man nicht weiß, was kommen wird,
Entsteht daraus ein Schreckenslos:
Kommt die Bedrohung, die man spürt?
Mich dauert sehr das kleine Wesen,
Das nun ja nicht mehr ruhen kann,
Nichts wird in meinen Augen lesen –
Und nirgendwo freie Fluchtbahn!
Da räum' ich Blumen rasch beiseite,
Das große Fenster ist gleich offen.
Dem Kleinen tu' ich nichts zuleide,
So darf er selbst auf Rettung hoffen.
Noch sitzt er ruhig, rührt sich nicht
Oben auf unserem Kleiderschrank.
Doch dann sieht er der Sonne Licht,
Fliegt in den Garten – Gottseidank!
©Hans Hartmut Karg
2021
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