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Gedichte Über Sorgen - Seite 14


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Du vs. Du

29 Jahre, selbstständig, bildschön und geistreich. So kennt man sie, Liz aus, ja woher kennt man sie eigentlich? Instagram, Facebook oder doch lieber Twitter? Sagen wir einfach Internet, denn da gibt sie ihr wahrscheinlich wahres Gesicht preis. Woher ich das weiß? Tja, ihre Infobox zeigt es. Du weißt schon, dieses kleine Feld unter einem Nutzernamen, in das manche Menschen ihre komplette Lebensgeschichte reinschreiben. Zu diesen Personen gehört auch Liz, so herrlich und perfekt sie auch scheint, ist der Hintergrund geradezu hässlich. Welcher Hintergrund fragst du dich jetzt? Komm ich zeig ihn dir und bringe dich in die ach so exzellente und glückliche Welt von Liz.
Weiße Wände, edle Möbel und große lichtdurchlässige Fenster inmitten der Kölner Innenstadt. Es ist Freitag, der letzte Tag vor dem Wochenende auf das sich Liz schon sehr freut. Müde wacht sie auf, ihr Gesicht überdeckt von langen, lockigen Haaren, für die sie im sozialen Netzwerk hunderte von Gefällt Mir Angaben erhält. Die Sonnenstrahlen kitzeln ihr Gesicht, viel zu hell für die junge Kölnerin. Sie überlegt, hat sie nicht gestern erst ein Foto von ihren frisch frisierten Haaren gepostet? Der Griff zum nebenliegenden Smartphone dauert nicht lange. Wow, 63 neue Gefällt Mir Angaben, 5 neue Follower und 13 Kommentare. Ja, das aktive Mäuschen ist fleißig, präsentiert sich natürlich von der besten Seite und freut sich über die Reaktionen ihrer „Freunde“. Schnell ist Liz auf den Beinen, legt ihr Telefon sachlich auf den Schrank und zieht sich ihre Sportsachen an. In der Küche schneidet Liz das Obst und fügt es zusammen mit dem Joghurt in eine Schüssel. Lecker, Foto folgt. Nicht richtig. Neu. Wieder ungenau. Jetzt aber, perfekt. Schnell hochladen, sonst läuft ihr die Zeit davon. Liz dreht sich um, erkennt jetzt erst, dass ihr Wasserhahn die ganze Zeit lief. Ihr Handy legt sie nun an die Seite, bindet sich ihre Schuhe fester und betrachtet sich im Spiegel, Zeit für ein neues Foto. Schnell greift sie nach dem Smartphone und drückt den Auslöser. Ihr Frühstücksbild hat bereits sämtliche Reaktionen hervorgerufen worauf Liz sehr stolz ist. Mit gehobenem Haupt steht sie da, lächelt, erhofft sich die nächsten Likes und verlässt ihre Wohnung.
Der Tag war lang, Liz telefoniert mit ihrer Mutter, während sie ihren Einkauf in der Küche ablegt. Sie verabschieden sich und Liz überlegt, dann nimmt sie das Gemüse, stapelt und positioniert es, öffnet die Kamera und fotografiert ihr Meisterwerk. Andere müssen, ja sie müssen sehen, dass Liz gesund lebt, das ist doch gerade der totale Internettrend, den sie unbedingt befolgen muss um Teil der Community zu bleiben. Die ersten Kommentare folgen, sie lassen Liz strahlen, erfreuen. Nachdem sie den restlichen Einkauf endlich wegräumt denkt sie erneut nach. Eigentlich ist sie viel zu faul sich etwas zu kochen. Seufzend greift sie in den Kühlschrank und plündert den Inhalt durch, ja das sieht doch ganz befriedigend aus, restliche Nudeln von gestern, reicht doch. Reicht doch für sie. Ihre lockigen Haare bindet sie zu einem Zopf, zieht sich um und legt sich ins Bett. Der Straßenlärm, der ebenfalls von lachenden Menschen beherrscht wird, ist für Liz nicht wahrzunehmen. Sie checkt ihre sozialen Netzwerke. In ihrem weichen großen Bett macht sie sich breit und schmunzelt über die vielen positiven Kommentare ihrer Follower, welche sie glücklich machen. Dass sie ein Teil der Außenwelt sein könnte, ignoriert sie.

Sonnenstrahlen kitzeln ihre Nase, Liz gähnt und streckt sich, reibt sich die Augen, fühlt sich schlaff. Der Wind durch das geöffnete Fenster streift die langen Gardienen über den Boden und kühlt ihr Gesicht. Sie stellt sich an das Fenster und schaut hinaus, perfektes Wetter zum Joggen. Jedoch hat Liz heute noch einige Briefe an ihre Kunden zu schreiben, weshalb sie schnell ihre Laufschuhe anzieht, ihre Beine positioniert und ein Foto schießt. Sie fügt diesem eine Beschreibung hinzu und zieht ihre Schuhe aus, sodass sie in der Ecke landen. Noch eine halbe Stunde, dann würde sie endlich aufstehen, muss aber zuerst gucken, wie viele Bemerkungen ihre letzten Bilder haben. Wow, so viele Likes, Kommentare und positive Beurteilungen. Liz ist stolz auf sich, für sie ist es sehr wichtig, ihr Leben mit anderen zu teilen, da ihr sonst der Antrieb fehle.
Sie betrachtet sich erneut im Spiegel, ihre Hose und Heels, sowie ihr Bluse und schöne Krawatte gefallen ihr. Spontan erfuhr sie, dass ein Kunde ein wichtiges Gespräch wünschte, welches sie nicht abstreiten möchte. Ja auch an einem Samstag betrifft Liz so etwas. Ihr Laptop steht vor ihr auf dem Tisch. Ihr Handy immer parat in der Hosentasche entwendet sie es, nimmt Stellung vor dem Spiegel, lächelt und fotografiert sich, wobei der Laptop nicht fehlen darf. Die Nutzer müssen ja sehen, dass Liz hart arbeitet um sich eine solch schöne Wohnung in der Kölner Innenstadt zu leisten.
Einige Stunden später und in völliger Hektik kehrt Liz zurück in ihre Wohnung, der Schlüssel immer noch im Türschloss und die Tasche auf den Boden liegend sucht sie verzweifelt ihr Ladekabel, denn ihr Akku ist alle. Mist, jetzt muss sie warten, bis das Gerät hochfährt. Innige Unruhe macht sich in ihr breit. Wie lange es wohl dauern mag, eine Minute, vielleicht zwei? Jedenfalls viel zu lang ihrer Meinung nach. Wartend sitzt sie auf dem Stuhl. Dass sie in dieser Zeit ihre Tasche vom Boden hebt, die Tür schließt oder die Briefe liest, ist nebensächlich. Erleichtert atmet Liz auf als sie den Bildschirm starten sieht. Schnell schaut sie nach, ob sie Nachrichten empfangen hat, zwei neue Gefällt Mir Angaben von Personen, die sie nicht kennt. Liz lächelt nicht, checkt ihre sozialen Netzwerke und begibt sich durch die große Küche in die Stube. Seufzend und mit Fokus auf den Handybildschirm gerichtet lässt sie sich auf das Sofa nieder. All ihre „Freunde“ posten Bilder und Videos vom Feiern oder mit ihrem Partner. Sie ist sich zu schade diesen Beiträgen Beachtung zu schenken und ignoriert sie. Jedoch verletzt es sie schon, denn sie sitzt allein zu Hause und hat keine Pläne für den Abend. Genüsslich schenkt sie sich ein Glas Rotwein ein und kramt ein Buch aus dem Schrank, welches sie vor Monaten angefangen hat zu lesen. Den Inhalt zu verstehen fällt ihr schwer, denn den Drang auf das Handy zu schauen und zu sehen, ob vielleicht doch jemand geschrieben hat, nimmt viel zu großen Einfluss auf Liz. Zwei Seiten weiter ertönt ihr Smartphone, sofort stürzt Liz sich auf den Stubentisch und schaut nach den Neuigkeiten. Dasselbe wie vorhin, eine Gefällt Mir Angabe eines Unbekannten, was sie nicht weiter stört. Sie prüft ihr Profil und fragt sich, ob sie vielleicht uninteressant geworden ist und ihre Selfies zu langweilig wirken, ja ob sie gar schön sei. Ihre Laune verschlimmert sich, Liz stellt sich vor den Spiegel, trägt Makeup auf und präsentiert ihr gespieltes Lächeln. In ihrem Schrank sucht sie ein schwarzes Kleid heraus. Es passt perfekt, obwohl ihre Blässe leicht zugenommen hat, ja Liz sieht fertig und müde aus. Aber sie kann jetzt nicht so sein, sie muss zeigen, dass sie glücklich und zufrieden ist. Sie muss die Liz sein, die auf den Bildern lächelt, die immer perfekt zu sein scheint. Sich im Spiegel betrachtend ist Liz schon stolz auf ihr Aussehen, greift schlagartig zum Smartphone und schießt ein Foto von ihrem ach so perfekten Samstagabend, den sie heute noch mit ihren Freunden auf einer Party verbringt. Noch schnell ein Filter über das Foto und das Meisterwerk ist vollendet. Binnen weniger Sekunden erreichen Liz Kommentare, wie schön sie aussehe und wie sexy sie sei, die Likes nehmen ebenso zu. Jetzt ist der Samstagabend gerettet, Liz fühlt sich gestärkt. Es folgen weitere positive Bemerkungen, die Liz lächeln lassen, sie chattet und flirtet, fühlt sich wohl. Erneut betrachtet sie ihr Selfie und ist stolz über die erreichte Anzahl von 82 Gefällt Mir Angaben. Dass ihr Buch bereits auf den Boden gefallen ist und der Wein warm wird, ist ihr nebensächlich. Die Nacht wird lang.

Der sonntägliche Straßenverkehr lässt Liz erwachen. Die Sonne ist von Wolken bedeckt und es ist nicht windig, weshalb sich die Luft in ihrer Wohnung staut. Ihr Atem ist fürchterlich und ihr Makeup komplett verschmiert, sie kann kaum gucken. Ihre Hand wandert automatisch von ihrem Bauch zum Rücken, kein Telefon. Ihre Hand wandert weiter, unter dem Kissen liegt es auch nicht. Langsam wird Liz unruhig. Hektisch bewegt sie ihre Hand auf den Boden und tastet verzweifelt nach ihrem Heiligtum. Endlich, sie hat es gefunden, es lag neben ihrem Buch, welches sie komplett ignorierte. Qualvoll versucht sie die Augen zu öffnen, um auf ihr Handy zu schauen und sieht, dass sie keinerlei Benachrichtigungen empfangen hat. Da konnte doch irgendwas nicht stimmen. Ihr WLAN funktioniert, vielleicht müsse sie nur ihre Mitteilungen neu aktualisieren. Schnell ohne zu zögern tut sie das. Wieder keine Benachrichtigungen. Eine Leere umhüllt sie. Liz schlief genau 10 Stunden und in dieser Zeit ist einfach nichts geschehen. Erschöpft steht sie auf und geht zum Spiegel, ihr Makeup über das gesamte Gesicht verteilt und der Griff fest um das Telefon. Liz öffnet die Kamera, sieht sich selbst, nicht im Spiegel, sondern wie sie andere sehen, über das Smartphone. Scheußlich ist ihr Gedanke, versucht sie noch mithilfe der Innenkamera das Makeup wegzuwischen, ist ihr Akku alle und ihr Portrait wird durch ein schwarzes Bild ersetzt. Langsam hebt sie den Kopf und betrachtet sich im Spiegel, sie sieht ein Wrack, welches aufgrund ihrer Abhängigkeit komplett zerstört ist, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich und das weiß Liz jetzt nur zu gut.


An einem Dienstag

Der Dienstag war, mit viel Gezeter,
so wie der Montag, nur halt später!

Durch einen dummen Wasserschaden,
konnten im Haus nun alle baden.
Nun musste man es trocken kriegen
und im Hotel den Tag besiegen.

Mit allem was noch übrig war,
saß ich vor einer Minibar
und dachte mir so, früh am morgen,
ertränkt man selten seine Sorgen.

Doch nach einem schlimmen Tag,
ein mancher gerne etwas mag,
das einem kurz den Geist verdreht,
damit es einem besser geht.

Diese Idee war nicht sehr gut,
denn trotz dem ganzen Übermut,
den ich zu dieser Sache hatte,
zwang mich der Wodka auf die Matte.

Am Mittag dann, die Bar war leer,
da klopfte plötzlich Irgendwer,
an der Tür von Zimmer zehn,
doch leider konnte ich kaum stehen.

Ich stieg von meiner Badematte,
die ich zum Glück noch immer hatte
und wollte flink die Tür aufmachen,
da fiel ich über ein paar Sachen.

Jetzt sah ich was am Boden war,
die leeren Flaschen aus der Bar.
Diese fiesen Stolperfallen,
ließen mich zu Boden knallen.

Benommen taumelte ich los
und der Raum war wirklich groß,
zudem auch ziemlich hoch und breit,
zur Tür war es noch meilenweit.

Nach gefühlten Stunden dann,
kam ich an die Klinke ran
und öffnete die Tür ganz leise,
auf irgendeine Art und Weise.

Vor dem Zimmer stand er dann,
von der Versicherung ein Mann,
der mir die frohe Botschaft nennt:
Vom Wasserschaden gibt’s kein Cent.

Im Kleingedruckten stand geschrieben,
du solltest deine Wohnung lieben.
Bei Selbstverschulden stand dort auch,
steht der Schuldner auf dem Schlauch.

So saß ich da und hörte leise,
wie der Mann auf seine Weise,
mir sagte das ich später dann,
zurück in meine Wohnung kann.

Erschöpft und träge kam ich dann,
in meiner alten Wohnung an.
Die Lüfter brummten Tag und Nacht,
was wirklich keine Freude macht.

Was könnte jetzt denn noch geschehen?
Das wird man Mittwoch alles sehen!


Karsei, Herford
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