Sortieren nach:

Gedichte über das Schicksal - Seite 208


Meine Schuld...

Meine Schuld...

Meine Schuld...

Ich verzeihe mir

Ich verzeihe meinen Händen,
dass sie nicht zugeschlagen haben
Ich verzeihe meinen Beinen,
dass sie nicht wie wild um sich geschlagen haben
Ich verzeihe meinen Fingern,
dass sie nicht gekratzt haben
Ich verzeihe meinen Füßen,
dass sie mich nicht fortgetragen haben
Ich verzeihe meinem Kopf,
dass er keine bessere Lösung gefunden hat
Ich verzeihe meinem Gesicht,
dass zu anziehend gewesen sein muss
Ich verzeihe meinen Geschlechtsteilen,
dass sie sich nicht wehren konnten
Ich verzeihe mir meinen kindlichen Wunsch nach Liebe,
für den ich alles zugelassen habe
Ich verzeihe meinem Herzen,
dass damals versteinert ist
Ich verzeihe meiner Seele,
die damals auf und davon geflogen ist
Ich verzeihe meinem Vertrauen,
dass sich so von dir ausnutzen hat lassen
ich verzeihe...

vielleicht werde ich mir eines Tages wirklich verzeihen können, das zugelassen zu haben,...
vielleicht muss ich es nur oft genug sagen?
Vielleicht werde ich wirklich irgendwann glauben können, dass es nicht meine Schuld war...

ich wasche die Schuld von meinen Händen,
das Wasser spühlt die Erstarrung, meiner Beine, meines Herzens, meines ganzen Lebens, spühlt das Wasser einfach fort
das Wasser nimmt
all den schmerz,
all die ungesagten Worte,
all die ungeweinten Tränen,
die bodenlose Verzweiflung,
die unausgesprochene Angst,
nimmt das Wasser und trägt es weg von mir
klares Wasser fließt über die Wunden,
kühlt sie, nimmt den Schmerz mit und heilt,...
was bleibt, wenn das Wasser geht und all das fort getragen hat, ist stille und in der stille die Hoffnung, dass etwas schönes in dieser stille wachsen kann,...

ich werde es nie wirklich vergessen können,
aber vielleicht werde ich eines Tages damit leben können,
vielleicht werde ich mich eines Tages nicht mehr davor fürchten dir auf der Straße zu begegnen,
vielleicht werde ich eines Tages los lassen können,
vielleicht wird es irgendwann nicht mehr so weh tun,
vielleicht wird mein leben, irgendwann wirklich mein leben sein, mein Körper mir gehören, meine Gedanken aufhören um damals zu kreisen,
denn damals ist trotz allem vorbei
vielleicht werde ich eines Tages glücklich sein?

aber eines werde ich nie tun, aufgeben
erst wenn ich aufgebe hast du wirklich gewonnen
oder ich wirklich verloren...
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige


Zarafa oder das schweigen der giraffen

die erste im abendlande
zeigte in Rom man herum.
Kamelopard man sie nannte.
wie litt sie für Caesars ruhm!
noch nie sah man ihresgleichen.
er liess sie von löwen zerfleischen
vor johlendem publikum.

nach tausendfünfhundert jahren
sah eine man dann in Florenz.
den Medici machte der sultan
Ägyptens sie zum geschenk.
neugierige kamen in scharen.
dort sollte ein stall vor gefahren
die stolze giraffe bewahren.
doch hatte auch diese kein glück.
obwohl sie fürsorglich waren,
brach sie sich bald das genick.

und dann endlich kam Zarafa,
"die Liebliche" hiess sie im land,
von Muhammad Ali Pascha
dem könig in Frankreich gesandt.

zwei jahre dauert' die reise
nilaufwärts und weit übers meer.
man sägte ein loch in die planken.
draus blickte verstört sie und leise
mit blauschwarzen augen umher.
sie blieb nur dadurch am leben,
dass kühe man mitgegeben,
in einem pferch neben ihr.
der milch war ihr dasein zu danken,
weil sonst sie verhungert wär.

doch noch fand kein ende das plagen,
denn nun ging's zu fuß nach Paris,
in einundvierzig tagen,
bevor man sie ruhen liess.

sie tappte auf endlosen wegen
in stiefeln aus leder dahin,
als mantel gegen den regen
gewachster taft sie umfing.

welch seltsame karawane
sah ihres wegs man da gehn.
zehntausende gaffer kamen,
um dieses wunder zu sehn.

da trabten zunächst vier kühe
mit schwingenden eutern voran.
es folgten mit aller mühe
zwei ältere mohren sodann,
ein araber schloss sich noch an.
und mit ihrer schwarzen plane
schlurft' schliesslich Zarafa heran.

hinter ihr her ward gezogen
ein wagen, der käfige trug.
und damit noch nicht genug:
darin waren lauthals am toben
mufflons und antilopen,
die fürchterlich brüllten und schrien.
so zog das spektakel dahin.

doch dann, in Paris, welch ein jubel!
ein jeder bestaunte sie hier.
man führte durch all den trubel
zum Jardin des Plantes jetzt das tier.

es war des königs wille.
hier war ihr neues zuhaus.
und endlich fand sie die stille
und ruhte in frieden nun aus.

man baute für sie ein gehege.
der könig selbst sah sie gern,
tat alles für ihre pflege,
hielt schaden von ihr fern.
manchmal, wenn er vor ihr stand,
frass sie ihm gar aus der hand,
bis im exil er verschwand.

doch dann, nach achtzehn jahren
im neuen heimatland,
fernab von allen gefahren,
ein friedliches ende sie fand.

von ferne kam einst sie gezogen,
der tod war ihr einziger feind.
es waren ihr alle gewogen.
man sagt, ganz Paris hat geweint.


Copyright © Marmotier 2013
... hier klicken um den ganzen Text anzuzeigen


Anzeige