Gedichte über Politik - Seite 146

Zum letzten Mal, ich sag es klar,
auch heftig drohend - wütend leis´:
vergiss verdammt was früher war,
sonst mach´ich dir die Hölle heiß!

Was willst Du denn - ich recht fein,
tat immer eifrig meine Pflicht
und lebte sonnig in dem Schein
des roten Überzeugungslicht.

War Jahre Chef im Großbetrieb
und vorher fast Minister"lein",
am "Mittag"stisch ich unterschrieb
schier alles was gefordert fein.

Doch deshalb trifft mich keine Schuld,
ich war ja nur die "zweite Hand"
und bin trotz mancher Ungeduld
schon jetzt ein großer Boss im Land.

Habt nun gewählt für diesen Stuhl
mit mir genau den richt´gen Mann,
weil ich mich kenn´ und deshalb cool
ja jede Wende meistern kann.

Es lebe hoch die Marktwirtschaft,
nicht alle Menschen klopft sie weich.
Die neue Überzeugungskraft
macht viele "Stelli´s" fett und reich.

Heut kommt es nur noch darauf an,
dass ich die süße Macht behalt´
und weiter leis belachen kann,
das schöne Wörtchen "Volksgewalt".

Merke: Ein Gentilhomme ist im französischen Sprachgebrauch ein Mann von guter Lebensart. Während vor der Wende die Sekretärin dem Genossen Werkdirektor die Parteiversammlungsrede tippte und der Chef dabei wohlgefällig ihre zusammengekniffenen Beine betrachtete, ist es nun so, dass sie - um ihren Job fürchtend - die Schenkel locker hält, während Big Boss die an sich selbst gerichtete Danksagung diktiert.

Wer zahlt mal unsere Rente?
Der Billiglohnsektor wächst,
Der Staat generiert Einnahmen satt,
Doch wir als Ruheständler sind überwiegend platt!

Im Rentenalter aufstocken,
Womit will der Staat wohl nur locken?

Schlaue Sprüche an der Tagesordnung,
Hauptsache Arbeiten für jeden Verdienst,
Die Einnahmen müssen sprudeln
Und wir kommen Tag für Tag ins Trudeln!

Unser System krank?
Die Reichen werden immer reicher
Und der normale Arbeiter immer früher blank!

Lieber, lieber Staat, stellt andere Weichen,
Denkt ans Volk, verteilt gerechter,
Erst dann hört ihr auch wieder
Glückliche Manschens-Gelächter!

© Martin Vieth - 2016