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Gedichte über Philosophie - Seite 148


Die Ehrfurcht vor dem Unaussprechlichen

Der Apfel in meiner Hand
Nährt mich und wird ein Teil von mir.
Der Regen, der mein Gesicht berührt,
Das Meer, die Flüsse und die Seen,
Die Pflanzen, Tiere und ich: Wasser.
Die Luft, die ich atme,
Das Feuer, das mich wärmt.
Der Baum vor mir:
Ist Zeit, Licht, Wasser und Erde.
Die Erde war alles, wird alles, ist alles.
Der Baum, der im Herbst sein Laub verliert,
Der ganze Wald, die Tiere und wir Menschen,
Alles kam aus der Erde, hat sich aus ihr genährt,
Und alles kehrt wieder in sie zurück.

Alles ist miteinander verbunden.
Alles, das Viele, ist ein großes Ganzes.

Ich war Mensch, Tier und Baum,
Ein Berg und der weite Ozean.
Einmal hier, einmal dort,
Von allem schon ein Teil gewesen,
Von allem schon einen Teil genommen.

Ich war bereits unendlich viele Male alles und jeder
Und werde es noch unendlich viele Male sein.

Du bist ich,
Ich bin du,
Aber es gibt kein ich und du.

-

Es gibt keinen Anfang und es gibt kein Ende.
Alles ist endloses sich wandeln.
Nichts ist fest, nichts ist für immer.

Jeder Augenblick hat schon unendlich viele Male stattgefunden
Und wird noch unendlich viele Male wiederkehren,
In für uns unvorstellbaren gewaltigen Zeiträumen,
Immer und immer genau so,
Und dennoch bleibt alles einzigartig.
Alles bleibt gleich und doch ist nichts gleich,
Alles vergeht und kehrt doch wieder.

Die Sonne geht auf und unter und wieder auf,
Bis eines fernen Tages ihr Feuer erlöscht.
Das Leben, Imperien, Völker und Kulturen,
Die Jahreszeiten – alles blüht auf und vergeht.
Ja der Kosmos selbst wird einmal enden,
Und alles wird neu geboren werden.

Etwas kommt nicht aus dem Nichts,
Und Etwas verschwindet nicht im Nichts.
Alles war schon immer da,
Die Dinge wandeln sich nur in ihren Möglichkeiten,
Nichts jedoch verschwindet für immer.

-

Der Kopf muss schweigen und das Herz fühlen lassen.
Wir werden das große Ganze
Niemals wirklich ganz begreifen können.
Jeder Versuch wird scheitern:
Das Leben, Kosmos und Natur, der Ursprung,
Gott, Bewusstsein, Liebe oder Tod,
Bleiben letztlich nur ungreifbare Worte.
Das Unaussprechliche kann man nur erfahren,
Es aber niemals ganz erfassen.
- Dies ist die Ehrfurcht vor dem Unaussprechlichen. -
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Trost der Philosophie: Der Tod ist nicht zu fürchten

Warum fürchtest du das Unausweichliche?

Die Natur, der wir alle angehören,
In der die Regeln für alle gleich sind,
Was soll es dort Übles geben?

Ist es das Unbekannte?

Du bist doch nicht allein.
Unzählige waren schon vor dir dran,
Und Unzählige werden dir noch folgen.
Menschen, Tiere und Pflanzen,
Ja der Kosmos selbst – alles wandelt sich.
Alles war schon einmal da,
Und alles wird so wiederkehren.

Alles Leben hat seinen Ursprung in der Natur,
Ist ein Teil von ihr,
Und kehrt wieder in sie zurück.
Du bist also nicht allein,
Denn alles ist verbunden, ein Ganzes.

Vor dir war nichts:
Kein Leid,
Kein Empfinden,
Keine Erinnerung.
Nur Erde, Wasser, Feuer und Luft,
Atome im leeren Raum,
Eine Seele gleich einem weißen Blatt,
Umherirrend im Samsara.

Fürchtest du dich, in dieses Nichts heim-zukehren?

Plagt dich die Furcht vor Schmerz?
Dann erinnere dich, was der Meister des Gartens sprach:
Der Tod ist nicht zu fürchten -
Du wirst nichts empfinden, denn du bist nicht mehr.
Der Tod geht uns also nichts an.

Oder fürchtest du Höllenfeuer und endlose Qualen?
Mythen sind es! -
Und schau auf diese Welt:
Was könnte dir ein Teufel noch hinzufügen,
Was du nicht schon in dieser Welt vorfindest?
Leben ist Leiden,
Warum also vor dem Ende fliehen wollen?

Schau auf die vielen Vorstellungen
Und sehe, dass keine wirklich zu fürchten ist:
Einen göttlichen Richter braucht niemand fürchten,
Denn wenn Gott Liebe ist, so wird er dir verzeihen.
Und sollte es einen ganzen Himmel voll Götter geben,
Was sollte sie unser Leben kümmern?

Wenn alles nur Hirn ist,
Dann gibt es nur Verwesung:
Alles zerfällt in seinen Ursprung.
Gibt es eine Seele, so kehrt sie Heim ins große Ganze,
In ein Paradies oder das nächste Leben.
Aber du wirst nicht leiden,
Denn du selbst wirst nicht mehr sein.
Drum fürchte nicht, was jeden eines Tages trifft,
Sondern beweise Stärke wie die Meister:
Wie ein Sokrates, Epikur und Seneca.

Und was sorgst du dich um deine Überreste?
Man soll sie den Hunden zum Fressen vorwerfen!
Denn was ist es für ein Irrsinn,
Ob dein Fleisch zu Asche wird
Oder in einem Sarg verwest? -
Es kehrt letztlich alles in die selbe Erde heim.
Und du selbst wirst es nicht miterleben,
Was kümmert dich also deine Beerdigung?

Du solltest dankbar dafür sein,
Dass die Natur so gnädig war,
Allem Anfang auch ein Ende einzubauen.
Schau auf all diejenigen, die das Leben quält:
Die Alten und Kranken,
Die zwischen Schmerz und Langeweile pendelnden,
Die Lebensmüden.
Und schau auf dich:
Den all diese Leiden auch einmal treffen werden.
Dann wirst du froh und dankbar sein,
Endlich in den ewigen Frieden heimzukehren.

Und was spielt es für eine Rolle,
Ob du zehn, hundert oder tausend Jahre lebst?
Das Leben ist doch immer gleich!
Die Sonne geht auf und unter,
Die Jahreszeiten kommen und gehen,
Kindheit und Jugend,
Erwachsenen- und Greisen-Alter.
Kulturen blühen auf und verwelken,
Reiche kommen und gehen.
Alles schon gesehen,
Alles schon gewesen,
Immer die gleiche Schau!

Willst du dennoch ewig leben? -
Dann bist du ein Narr!
Dann ist dein Leiden selbst verschuldet.
Denn du wünscht über etwas zu gebieten,
Was ein anderer gesetzt hat.

Erkenne die Dinge,
Lasse endlich los,
Finde deinen Frieden.
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