Gedichte über das Leben - Seite 311

Wie tief muss man gefallen sein
um andrer Menschen Leid zu tragen,
um andrer Sorgen groß und klein
mit einem Lächeln zu ertragen.

Wie viel muss man gelitten haben
um andre Menschen aufzufangen,
an schweren und an dunklen Tagen
mit weisem Lächeln um sie bangen.

Wie weit muss man gegangen sein
um Hoffnung tief im Herz zu tragen,
um andrer Wunden groß und klein
mit stiller Demut zu beklagen.

Wie viel muss man gesehen haben
um andre Menschen zu verstehn,
denn Sorgen die du selbst nicht kennst,
die kannst du wahrhaft nicht verstehn.

(Ilka Berikhan)
phantasie-garten.com

Die Augen sie sind tränenleer,
sie haben keine Tränen mehr;
verdorrt, vertrocknet ist das Land,
der letzte Wassertropfen schwand.

Die Seelen sie sind träumeleer,
sie haben keine Träume mehr;
verflucht, vergessen von der Welt,
der letzte Traum zu Staub zerfällt.

Die Dörfer sie sind kinderleer,
man hat hier keine Kinder mehr;
verstummt, verhungert in der Nacht,
das letzte Kindlein fortgebracht...

Die Felder sie war'n übervoll -
das Land mit Gräbern überquoll;
man musste eitle Habgier büßen,
der Rest der Welt ließ grüßen!

(Ilka Berikhan)
phantasie-garten.com

Reinheit ist ein Gast der Liebe
leuchtend und unendlich rein,
dass sie immer bei mir bliebe
lad ich sie zum Tanze ein.

Reinheit ist ein Gast der Treue
schimmernd und so leuchtend hell,
dass ich sie niemals bereue,
mich auf ihre Seite stell.

Reinheit ist der Spiegel derer,
die mit Mut durch's Leben gehn,
Reinheit ist ein strenger Lehrer,
mit ihr werd ich untergehn.

Nur wer tief in Reinheit fiel,
glitzert wie die Sterne,
der erreicht recht bald sein Ziel,
strahlt noch hell weit aus der Ferne.

(Ilka Berikhan)
phantasie-garten.com